1000 Fenster – Berat (ALB-5)
- Hardy
- 22. Jan. 2022
- 4 Min. Lesezeit
21.01.2022 – Erwartungen … erwarte nichts, dann kannst du auch nicht enttäuscht werden. In Erwartung einer frostig angesagten Nacht waren wir heute Morgen förmlich überrascht, als die Nasenspitze nicht kalt war, der herausgestreckte Arm nicht gleich wieder unter die Decke musste und das Innenraumthermometer 15 °C anzeigte. Die in der Nacht unerwartet aufgezogene Regenfront blockte die Wärme unter sich. Gut für uns, das war mal richtig schön.
Sachen an, neben uns hatte es sich wieder ein 4-Beiner bequem gemacht und wartete nur auf die aufgehende Schiebetür. Den Morgen nutzten wir dann noch für einen Strandspaziergang oder -lauf, ab der Hälfte fing es an wieder zu tropfen. Schnell in den Polwan und die blinkende Tankleuchte beseitigen. Tanken ist in Albanien kein Problem, Tankstellen gibt es genug, preislich unterscheiden sie sich um bis zu 15 Cent. Die Bezahlung mit der Karte sollte man vorher allerdings erfragen. Hatten wir günstiges Tanken in Albanien erwartet, setzten wir uns bei durchschnittlich 1,50 €/l Diesel ganz schön auf den Hintern.
Für uns hieß es heute mal wieder Autobahn, von vielen hatten wir gehört, wie schlecht die Straßen hier wären, bisher können wir nur von guten Hauptstraßen berichten. Nebenstraßen sind unterschiedlich. Wie fahren Albaner eigentlich Auto? Zu unserer Verblüffung sehr langsam. Was wir heute in Fier erlebten, sprengte alle Erfahrungen. Kreisverkehrregeln gibt es nicht, einfach fahren lautet die Devise. Das Tempo im Kreisverkehr ist oft nicht schneller als Schritttempo. Parken in zweiter Reihe trotz freier erster Reihe ist Standard … es war heute mal wieder spannend, aber kein Drama, denn gefühlte 90 % fahren Mercedes 😊.
Fier, eine Stadt auf unserer Route, perfekt für einen kleinen Zwischenstopp. Gespannt schauten uns die älteren Damen hinter der Gardine beim Parken zu. Für uns hielt die Stadt bei grauem Wetter einiges an Farbe bereit. Gerade an der Hauptstraße sind die Häuser lebendig bunt angemalt und wirken lebendig. Wobei Herbstlaub an Häuserwänden doch etwas kurios wirkt. Eine Kirche, zwei Moscheen und ein Besuch bei zwei örtlichen Bäckern, kulinarisch ein Gewinn, städtisch ok.
Die Ausfahrt aus der Stadt verlangte mal wieder einiges an Ruhe. An einer Kreuzung wahren Schilderkenntnis, Fahrvermögen so klasse ausgebildet, dass sich der Verkehr festfuhr und aus jeder Richtung jemand fahren wollte. Doch kein Gehupe, ein bisschen Rangiererei und freundlich ließen sie sich gegenseitig vor.
Anschließend folgten wir einem Tipp von Ümer, einem ehemaligen Arbeitskollegen von Sarah und selbst Albaner. Das Kloster Ardenica ist eines der bedeutendsten und schönsten Klöster Albaniens. Mit viel Aufwand wurde es erhalten und instandgesetzt. Nach 2 km sattem Aufstieg standen wir vor verschlossener Tür. Schade. Doch ein Ring an der Tür verlockte ihn zu schlagen und siehe da, die Pforten öffneten sich. Eintritt 1€ oder 100 Lek, eine Broschüre in die Hand, Fotos auf dem Gelände ok, in der Kirche nicht. Tatsächlich, Holzbauten, wie wir sie schon in bulgarischen Klöstern sahen, ein gepflegtes Gelände. Die Kirche schloss er extra für uns auf, die Fresken waren in einem beeindruckenden Zustand, ohne die üblichen herausgekratzten Augen. Eine goldene Empore und jede Menge Ikonen. Beeindruckend ist der kalkweiße Glockenturm, der für uns ungewöhnlich und neu war. Ungewöhnlich auch, dass uns der Erzbischof die ganze Zeit begleitete.
Für unser nächstes Ziel ging es entgegen der Fahrroute und weiter ins Land hinein. Vorbei an einem Fluss, der wohl Hochwasser hatte, hingen tausende Plasiktüten kilometerlang auf 3 Metern Höhe über dem Wasser und in großer Breite. Der Müll ist und bleibt ein riesiges Problem. Hausmüll und Bauschutt liegen fast überall, obwohl es öffentliche Mülltonnen gibt. Berat lautete das Ziel. Dazu schreibt der Lonely Planet: „Berat hat seinen ganz eigenen Zauber und gehört zu den Highlights des Landes. Auffälligstes Merkmal sind die weißen osmanischen Häuser, die bis hinauf zur Festung reichen und Berat den Namen Stadt der 1000 Fenster verliehen. Sie trugen dazu bei, dass Berat seit 2008 zum UNESCO Welterbe gehört. Die Gebirgslandschaft ist besonders eindrucksvoll, wenn Wolken um die Minarette wirbeln und den Blick auf den eisigen Gipfel des Tomor freigeben. Obwohl sich Berat zu einen Tourismuszentrum entwickelt hat, konnte es sich seinen unbeschwerten Scharm bewahren.“ Das hörte sich gut an und in einer Doku sahen wir dazu auch schon etwas. Graue Wolken hingen im Gebirge, Gipfel wollten sich heute keine zeigen, doch die Schneegrenze schien nicht mehr weit. An unserem Parkplatz erwartete uns sofort ein lieber Albaner, er war wohl Besitzer des Stadt-Camping-Stellplatzes und sah wohl bei uns seine Chance, den Hof etwas zu füllen. Doch wir hatten für diese Nacht einen anderen Campingplatz ausgewählt, eigentlich nur, um Strom zu kriegen. Strom heißt für uns Lüfter an und einen warmen Camper zu haben.
Rein in die Stadt, der erste Kreisverkehr verriet schon, was da komme … viele Fenster verbunden als Rondell. An einer schönen alten Brücke vorbei sahen wir schon die ersten osmanischen Häuser. Für uns nach 3 Monaten Türkei kein WOW-Effekt, aber schön. Ein Besuch lohnt auf jeden Fall. Ein Präsidialgebäude stellte sich dann nur als Hotel, wohl aber geschlossen, heraus. Wer die Häuser, bzw. das Leben in den Häusern nicht kennt, kann in das Ethnografiemuseum gehen, um dann mit offenen Augen an den weißen Häusern mit dunkelbraun abgesetztem Holz und den vielen Fenstern vorbeizugehen. Es geht stetig bergan, eine Frau hinter uns nahm bei den zwischenzeitlichen Pausen immer wieder einen Schluck aus der Flasche. Der Aufstieg führt zum hiesigen Castle mit weiteren osmanischen Häusern, den Resten der White und Red Mosque. Sogar eine alte Regenwasserzisterne ist begehbar, aber dazu erfordert es Mut und Geschick. Selbst die Festungsmauern sind begehbar, wenn auch ohne jegliche Sicherung. Wie es der Tag so wollte, ergoss sich mal wieder ein Regenschauer über uns, Unterstellen in einer der Katakomben nutzte zeitlich nichts, wir mussten runter. Auch jetzt wieder im Laufschritt, alle durchweichten Sachen schnell vom Körper und trockenlegen. Den Motor an, spontan hieß es nicht Campingplatz und Strom, sondern noch eine Stunde Fahrt und zum wohl letzten albanischen Strand.
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