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1001 Nacht – ab in den Orient – Mardin (KUR-4)

  • Hardy
  • 11. Sept. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

10.09.2021- Im Dunkeln geparkt, am Morgen erschrocken. Nicht weil wir durch einen Ort namens Batman gefahren waren, dessen Stadtbild von oben eher einem Spinnennetz ähnelt und somit eher Spiderman heißen sollen. Nein, wir standen direkt am aufgestauten Tigris neben einem Friedhof. Dachte ich gestern Abend noch Lichter eines Bootes erkannt zu haben, waren es doch Grabkerzen.

So richtig Lust, das Board den 500m Serpentinenweg zum Wasser zu tragen, hatte ich nicht, so begnügten wir uns mit einem Gang zum Wasser und dann ging es weiter. Vor der Abfahrt zeigte das Scheibenthermometer bereits über 40 Grad, reduzierte sich bei der Fahrt noch auf 31 Grad, doch dabei sollte es nicht bleiben. Beim Anblick unseres ersten Spots ärgerten wir uns, nicht hier geparkt zu haben, wäre es doch direkt am Wasser möglich gewesen. Doch Vorsicht, der Ort Hasankeyf hat eine lange dreifache Geschichte. Auf der anderen Uferseite befinden sich neben einem Kalesi das alte Hasankeyf. Wenn man den Begriff Keyf mal angliziert wird es zu Cave und bedeutet Höhle. Schon von weitem waren die vielen Höhlen entlang der Felswand zu sehen. Am Hafen trafen wir einen netten Türken, der uns anbot, als Guide zu fungieren, er freue sich immer, Englisch zu sprechen. Er hätte nur sehr wenig englischsprachige Besucher, eher Locals, die auf Heimatbesuch sind. Wir verneinten, erfuhren aber trotzdem viel. An den Höhlen arbeiten japanische Archäologen. Wir fragten, warum denn keine Türken. Ihm fehlten die englischen Begriffe, doch die Japaner arbeiten sanft mit Zahnbürsten Schicht für Schicht, die Türken wie Bulldozzer. Als die Bewohner aus ihren Höhlen auszogen und ein neuartiges Dorf gründeten, wussten sie nicht, dass sie auch hier bald wieder ausziehen müssen. Denn als der Tigris als Energieträger erkannt und ein Staudamm errichtet wurde, versank Hasankeyf im Wasser, wie einst Atlantis. Dank der heutigen Technik gingen zwar Häuser und Brücken völlig verloren, aber bedeutende Bauwerke wie Minarette, Palasttore und ein Kuppelbau nicht. Sie wurden in türkisch-deutsch-niederländischer Zusammenarbeit mit schwerem Gerät versetzt. Heute gibt es ein drittes Hasankeyf, in dem 7 von 69 bedeutenden Bauwerken wieder errichtet wurden und den Bewohner und Besuchern somit erhalten blieben. Der neuen Stadt fehlt allerdings etwas der Charme, da sie in Grau und mit gleichen Häusern gebaut wurde. Der erste orientalische Hauch bleibt hier trotzdem nicht versteckt.

Für uns hieß es wieder Fahren … 120 km bis zum nächsten Spot und der lag nur 20 km von der syrischen Grenze entfernt. Viele halten uns für unsere Routenwahl sicher etwas verrückt, okay es ist sicher keine typische Urlaubsregion. Mittlerweile sind wir die vielen Checkpoints, Panzer, gepanzerten Fahrzeuge und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag gewohnt, fragen uns eher, wo sie sind, wenn ein Checkpoint mal nicht besetzt ist. Doch unsere Neugier nach Neuem, fremden Kulturen lässt uns einfach nicht in Ruhe. Wir reflektieren uns aber regelmäßig, ob wir uns sicher vorkommen, das tun wir.

Von Mardin aus kann man praktisch nach Syrien schauen, die vorbeifahrenden Autos tragen oft Nummernschilder aus dem Irak oder eben Syrien. Nun sind wir da und der Orient ruft. Mardin hat eine moderne Stadt und eine am Berg gelegene Altstadt. Für diese interessierten wir uns. Durch die Stadt führen etliche Treppen in einem schier endlosen Labyrinth nach oben. Ein freundlicher älterer Herr wies uns den Weg, freute sich mit uns zu sprechen und gab alles, um mitzuhalten. Von fast ganz oben hatten wir einen Blick in den Süden, wir waren erstaunt, wie grün die Felder für die klimatischen Verhältnisse waren. Unser Guide am Tigris sagte uns, dass es mittlerweile 1,5 Jahre nicht geregnet hatte, so dass die alte Stadt langsam wieder zum Vorschein kommt. Über der Stadt thront ein besuchbares Kalesi, wir verzichteten heute mal auf alle Kalesis, besuchten aber dafür ein Sultan Zinciriye Metresesi. Ein herrschaftliches Haus mit Moschee (Eintritt 3 TL, 0,30€ p.P.). Die ganze Altstadt ist voll mit kreativen Cafés, lädt förmlich zum Verweilen ein. In der Haupteinkaufsstraße funkelte es nur so golden, so viel Schmuckhändler hatten wir noch nie an einer Stange, ein weiterer Verkaufsschlager scheint Seife zu sein, gefolgt von türkischen Süßigkeiten. „Mardin ist bekannt für seine aus diversen Ölen und Duftstoffen zusammengesetzten Seifen.“ Heute schlugen wir auch mal zu. Unser freundlicher Opa vom Hinweg begegnete uns wieder an einer Moschee und deutete darauf, unbedingt ein Foto zu machen 😊. Auch heute gab es wieder einige Fotoanfragen mit uns …

Das erste Mal auf dieser Reise mussten wir übrigens Wasser kaufen, das Vorkommen von öffentlichen Quellen ist in der Wüste sehr rar und die gefundenen Quellen waren gechlort. So wanderte ein 5 l Kanister in den Polwan. Es fällt uns auf, dass sich sehr viele Kinder und Jugendliche nach uns umdrehen, erst ganz schüchtern, dann immer wieder und winken. Beim Autofahren fallen manche fast vor Winken aus dem Auto, wenn sie erst das Nummernschild kritisch begutachten, Sarah vom Beifahrersitz aus winkt. Die Stellplatzsuche erweist sich in den letzten Tagen nicht ganz so einfach. Die App ist etwas rar, viele Plätze sind sehr stadtnah oder zentral, Naturplätze teils nur mit großen Umwegen zu erreichen. Wir hoffen, dass es besser wird. Heute stehen wir nur 30 m entfernt vom Tigris in der Region Mesopotamien. Auf dem Tigris gepaddelt zu sein, wäre doch mal ne Nummer, oder?



 
 
 

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