top of page

25.000 Tote bei Erdbeben – Spitak (ARM-19)

  • Hardy
  • 2. Sept. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

01.09.2021 – Erstmals standen wir wohl nicht so toll für eine ruhige Nacht. Die gute Straßenqualität ermunterte wohl den ein oder anderen Linglong-Fahrer, seine Reifen über den Asphalt zu drehen. Der Ausblick zum Frühstücksbüfett entschädigte uns jedoch dafür. So starteten wir mit dem Besuch der Mother of Armenia Statue. Schon morgens kehrten, fegten und grubberten die alten Armenier die Gegend. Es herrscht stets emsiges Treiben mit den kleinen Handbesen, die eine ständige Bückhaltung erfordern.

Plötzlich standen wir am nächsten Spot vor einem verschlossenen Tor, mit großem Quitschgeräusch ließ sich das Tor öffnen und der Wachmann erwachte, einbrechen Fehlanzeige 😊. Als erste Gäste konnten wir also eintreten und hoch zum Black Fortress. Dieses Fortress war vollständig erhalten und sah eher aus wie ein schwarzes Gasometer. Die nächste verschlossene Tür, wir waren wohl einfach zu früh dran, doch der Officer hat Erbarmen, schloss uns kurzerhand auf und überließ uns das Bauwerk zur Erkundung. Das Fortress wurde vollständig zu einer Konzerthalle und Museum umgebaut, restauriert und auch ein bisschen verkitscht.

Wir hatten noch etwas Zeit und machten, bevor wir unsere PCR-Testergebnisse abholen konnten, noch einen Ausflug in die 40 km entfernte Stadt Spitak. Hier hat man als Tourist die Möglichkeit Kartoffeln in Kuhscheiße zu essen, es soll gut schmecken, nur den Gourmettempel dazu fanden wir nicht. Dies ist die lustige Geschichte über diese Stadt, doch betrachtet man sie genauer, fällt einem auf, dass sie sich von anderen armenischen Städten unterscheidet. Am 07.12.1988 um 11:37 Uhr erschütterte eines der heftigsten Erdbeben genau diese Stadt und viele Häuser brachen in sich zusammen. Das Beben forderte damals rund 25.000 Tote. Dies wird am besten auf dem Friedhof sichtbar. Viele Grabsteine tragen dieses Datum als Todesdatum, einige haben zu den bereits bekannten gelaserten Gesichtern oder Körpern eine Uhr mit dem Zeitpunkt des Erdbebens. Manche Grabsteine tragen sogar Bilder der zerstörten Häuser. Unter den Toten befanden sich Menschen jeden Alters, der jüngste war gerade an diesem Tag geboren. Es ist die einzige Stadt, die auf dem Friedhof eine Blechkirche hat, die damals schnellstmöglich errichtet wurde, um den Menschen einen Anlaufpunkt zu geben. Armenien liegt genau an der Grenze von zwei tektonischen Platten, die sich regelmäßig verschieben und sehr aktiv sind. Durch Erdbeben sind nicht nur wunderschöne Schluchten entstanden, sondern auch viel Leid.

Auf den Rückweg waren wir noch lange in Gedanken um dieses Unglück, es lässt einen nicht unberührt, wenn man diese Stadt betritt, doch schmunzeln mussten wir trotzdem. Auf dem Hinweg beobachteten wir zwei Straßenarbeiter, schätzungsweise 70+, die Fahrbahnmarkierungen erneuerten. In Deutschland wird eine Schablone aufgelegt, das Sprühen erfolgt fast automatisch, doch die beiden Herren arbeiteten noch Pinsel, zwei Brettern und Abstandshaltern, sie hatten während unserer Zeit in Spitak etwa 10 m geschafft 😊.

Zurück in Gyumri hatten wir noch etwas Zeit und heute früh noch andere Ecken gesehen. Gestern waren wir weder Fisch noch Fleisch, konnten uns kein Urteil über die zweitgrößte Stadt des Landes bilden. Die Gänge durch noch mehr Altstadtstraßen erhellte unsere Sicht. Viele aus regionalen schwarzen Steinen gebaute Häuser, Villen wurden renoviert, wieder hergerichtet und akzentuiert mit rot-braunen Steinen. Eine der beiden Kirchen besuchten wir auch im Inneren, sie überraschte uns mit heller Innenstruktur und blauem Altarraum. Generell nahmen wir uns heute etwas mehr Zeit und konnten sehen, dass die Frauen sehr modisch, die Männer oft mit Jogginghose gekleidet waren. Übrigens war heute auch Einschulungstag. Die kleinen ABC-Ritter und Prinzessinnen waren top gekleidet, manche mit Anzughose, Hemd und Fliege, die Haare lagen perfekt, die Mädels hatten Blumen in den Haaren und Schleifchen an Kleid und Socken. Schultüten hatten sie allerdings nicht.

Unser letztes armenisches Geld investierten wir noch in kleine Präsente und 2 Eis, dann hieß es ab zur PCR-Testzentrale. In Armenien hatten wir so viel und intensiv Kontakt zu anderen Menschen, wie noch nie auf dieser Reise, die Gefahr eines positiven Tests war durchaus gegeben, vor allem, weil Sarah sich derzeit mit Schnupfen rumplagt. Symptome haben wir zwar keine, aber man weiß ja nie. Ein Grenzübergang mit dem Vaccine-Nachweis ist einfacher, günstiger und angenehmer. Doch nach 10 min Wartezeit druckte die Empfangsdame zwei Blätter aus und sie enthielten das wichtigste Wort: negativ. Damit konnte unsere Fahrt beginnen. Wir hatten nur ein Problem, durch die ungeplante Fahrt nach Spitak war der eh schon wenig gefüllte Tank noch leerer, eigentlich kein Problem, dann wird eben mit Karte bezahlt, nur nahm bis zur Grenze keine einzige Tankstelle eine Kartenzahlung an. Es hieß also hoffen, dass kein Pass mehr vor uns liegt, einige Berge, einige Serpentinen brachten die Tankleuchte zum Glühen, mit 20 km bis zur Grenze war der Weg nicht mehr weit und die Landschaft armenienuntypisch recht flach. Der armenische Stempel war relativ schnell im Pass, die Ausreise erfolgte wieder mal getrennt, der Car-Owner musste das Fahrzeug an allen Grenzposten überführen, Passagiere gingen durch eine Grenze innerhalb von Gebäuden. Mich sprach mal wieder jemand einer deutschen Reisegruppe an und verkürzte mir das Warten auf Sarah. Wir hatten mal wieder eine kuriose Grenze gewählt, der Weg zum nächsten Land führte um ein werkstattähnliches Gebäude auf einem Schotter-Schlagloch-Weg herum. Wir dachten schon, falsch zu sein … doch dann standen wir am Schalter des nächsten Landes. Der Grenzer freute sich in seiner Sprache begrüßt zu werden, wir tauschten ein paar Floskeln aus und dann ging es an die Dokumente. Sarah enterte das Land mal wieder über einen anderen Weg. Bei mir dauerte es länger, hatte das erste Mal jemand ein Problem mit den Vaccine-Papieren. Eigentlich sind diese auch gar nicht notwendig, da der PCR-Test zur Einreise genügt, doch der Grenzer wollte unbedingt einen QR-Code auf dem Zertifikat. Wir konnten es nicht herzaubern, ein anderer Grenzer wurde gerufen, auch er sagte, dass es ohne QR-Code in Zukunft nicht ginge. Wir empfanden es als absoluten Quatsch, noch nie wollte jemand einen QR-Code, dann muss man einfach mal die Lesebrille aufsetzen, da alle wichtigen Daten eingetragen sind. So ermöglichte wohl nur der Einfuhrstempel von Batumi unsere Weiterfahrt. Ja, wir sind nun wieder in Georgien. Wer Armenien bereist hat außer der Irangrenze (derzeit wegen Corona für jeglichen Tourismusverkehr geschlossen) keine Chance, das Land zu verlassen. Mit den Türken wird an einem Grenzübergang gearbeitet und verhandelt, die Freundschaft mit Aserbaidschan gibt es nicht.

Schon im nächsten Dorf konnten wir tanken, fragte uns der Tankwart doch, ob wir noch armenische Dram haben, er könnte sie uns tauschen, sein Kurs wäre sicher Weltklasse. Schnell änderte sich die Landschaft, es wurde wieder grün, auch die Berge waren bewachsen. Entlang einer Schlucht mit Fluss fuhren wir noch 90 km zu unserem Stellplatz, von dem wir unsern ersten morgigen Spot schon sehen können. Es wird wieder gigantisch.

Armenien war für uns die größte positive Überraschung der gesamten Reise, wir sind glücklich diese Erfahrungen gemacht zu haben, doch genießen gerade die wundervollen Straßen in Georgien. Nicht lange wahrscheinlich.

 

Comments


DSC01243.JPG

Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

© 2023 Die Welt sehen. Erstellt mit Wix.com

bottom of page