Ab in die Kajüte – Schwarzes Meer (Fähre 3)
- Hardy
- 17. Juli 2021
- 4 Min. Lesezeit
15.07.2021 – Und dann „sollte“ es bis zum Tor gehen. Hatten wir uns schon tags zuvor unsere Fährtickets geholt, vergaß man wohl zu erwähnen, dass die Customeinfahrt derzeit eine Brückenbaustelle ist. Die Nachfrage bei einem Wachmann des Transitbreiches half uns weiter.
Am Terminal angekommen, ergab unsere Nachfrage erstmal nur den Besuch bei einer Veterinärin. Allerdings trafen wir auch hier einen deutschen Radfahrer, der von Köln mit dem Fahrrad bis in unser Zielland fahren möchte. Nicht schlecht und eine schöne Idee, die Route hörte sich interessant an.
Irgendwann kam ein Zuständiger, von dem wir einen Zettel erhielten und der uns mitteilte, dass wir den notwendigen PCR-Test nicht per Karte bezahlen können, auch eine Info, die man uns in der Info hätte geben können. Eine kleine Bank war schnell in der Nähe gefunden, alles wirkte sehr alt, doch wir bekamen die notwendigen 1480 UAH (50 €) für die fälligen 2 PCR-Tests. Das ukrainische Grenzprozedere kennt ihr ja mittlerweile, vorfahren bis zu einem Tor, nach 30 min kam jemand, auffahren auf eine Rampe, Laufzettel 1 abgeben, Tür auf. Weiterfahrt auf einen Parkplatz und zur Customercontrol, eine Stunde tat sich nichts, nur dass die Beamtin stets rauchen ging, aber niemanden abarbeitete. Zwischenzeitlich wurden Züge auf 4 Gleise in der Fähre verladen. Letztendlich konnten wir unsere Ausweiskopien alle abgeben, der Zuständige karrte dann auch noch einen Grenzer heran, Fahrzeug wieder komplett öffnen, sogar die Motorhaube. Er sprach gut Englisch und wir hatten einigen Spaß, der nächste Laufzettel, ab zur Bordercontrol, Pässe scannen und und und, Stempel auf den Laufzettel. Fähre betreten, Laufzettel beim Soldaten abgegeben, Zimmer beziehen, Hotspot von unseren ukrainischen Nachbarn geben lassen (vorher noch den Ukrainern im kyrillischen Handy zeigen, wie man einen Hotspot gibt), elektronische Anmeldungen im Zielland ausfüllen, abschicken, mit den Ukrainern lachen, Zimmer wechseln, weil die Klimaanlage pfiff, PCR-Test bei einer Ärztin an Bord machen, auf die Durchsage warten, dass die Autos nachgeholt werden können. Laute Durchsage, Auto beim Soldaten wieder komplett öffnen, auf die Rampe stellen und warten, da noch 2 LKWs fehlten. Nach 30 min dann parken, ersten Gang einlegen, Handbremse fest und ab ins Bett. Um 23 Uhr sollten wir boarden, um kurz nach 3 lagen wir im Bett, die Fähre sollte danach abfahren, kurz vorm Frühstück, um 8 legten wir ab. Somit fuhren wir mit 10 Stunden Verspätung los. Doch egal, wie groß die Verspätung ist, alle arbeiten mit einer Arschruhe 😊 und als ob der Job eine große Qual wäre.
Die Essenszeit beträgt je Mahlzeit mit ukrainischem Druck 30 min, bei der Durchsage wird extra darauf hingewiesen, nicht zu spät zu kommen. Vor verschlossener Restauranttür trafen sich als erstes drei Deutsche 😊. Das können wir eben, es wartete ein gedeckter Tisch. Omelette, 1 Würstchen, 1 Stk. Butter, 1 Tasse schwarzer Tee und Grießbrei, so sah das Frühstück aus. Doch Obacht, denn ist ein Teller leer, ist er auch gleich weg …
Den Vormittag verbrachten wir mit der Aufarbeitung unserer Blogs bzw. den Länderberichten, die Zeit verging förmlich im Fluge. Ein paar Sonnenstrahlen auf dem Heckdeck und schon kam wieder die Durchsage zum Mittag. „Pay attention, don´t be late.“ Es sollte der Satz des Tages werden. Zusammen mit unseren Tischnachbarn Michael aus Köln und Sam aus London hatten wir eine elustre Runde gebildet und man fegte uns nach 40 min förmlich aus dem Essenraum. Am Nachmittag wurde wieder gearbeitet, aber auch das Buch auf dem Deck ein paar Seiten weiter geblättert.
Abends wurde es dann spannend, denn wir fuhren entlang der Küstenlinie der Krim, nunmehr russisches Hoheitsgebiet. Zur Absicherung der Ländergrenze standen zahlreiche Militär- und Küstenwachschiffe auf dem Meer, keiner hätte gedacht, dass wir sie trotzdem so nah sehen. Aufgrund der zweifachen russischen Angriffe auf britische Schiffe war Sam ziemlich nervös. Wir sagten ihm, die Augen der Ferngläser seien auf ihn gerichtet, sollten sie doch kommen, zeigen wir einfach auf ihn als Briten. Jede Menge Spaß auf seine Kosten, er nahm es mit britischem Humor. Schließlich hatte er mit dem Fahrrad bereits ganz Russland und viele Ostländer durchquert und ist somit Kummer und Leid gewöhnt 😊. Michael hatte schon immer den Traum, nach einigen Radreisen mal eine richtige Langstreckenreise mit dem Fahrrad zu machen. Nach einem überlebten Herzstilstand war jetzt die Zeit gekommen. Anfang des Jahres pensioniert, war der Plan gestrickt, es sollte nach Russland gehen, doch wie bei uns änderte sich die Tour regelmäßig. Auch er hörte, wie wir die kritischen heimischen Stimmen, warum es denn unbedingt in den Osten gehen muss. So steht er nach 2,5 Monaten neben uns an der Reling und gemeinsam beobachteten wir das Springen von vielen Delphinen neben dem Schiff, aber auch in einiger Entfernung, einfach wunderbar.
Den Abend rundeten wir mit einem traumhaften Sonnenuntergang auf dem Heckdeck ab und feierten mit einer guten Flasche vom Weingut Cricova unseren Jahrestag. Schnell waren wir auch wieder zu viert und hatten jede Menge Spaß. Hier sahen wir mal wieder, egal welches Alter neben einem sitzt, wenn jeder etwas zu erzählen hat, kann es ein wunderschöner Abend werden. Man „kennt“ sich gerade mal einen Tag und ist sich so nah, dass wir auch unsere PCR-Tests miteinander verglichen – NOT DETECTED. Sam gestand uns sogar seine Gefühle für Misses Pineapple. Sein Sohn ist Nachrichtensprecher in Neuseeland, bei einer Tour durch Sibirien, im Zelt mitten in einem einsamen Wald liegend, schaltete er seinen Kurzwellenempfänger an und hörte nach 2 Jahren wieder die Stimme seines Sohnes im Radio. Nur verständlich, dass seine Emotionen die Augen feucht werden ließen.
Mit der Geschichte aus Sam´s aktuellem Buch, dass ein Mann seinen über ihm schlafenden Kajütenpartner von unten ersticht, beendeten wir den Abend und waren gespannt, ob sie morgens beide beim Frühstück wieder neben uns sitzen würden. Insgeheim teilten wir schon eine Frühstücksportion unter uns auf.
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