Allein auf der Hütt´n im Hotpot - Hveravellir (ISL-6)
- Hardy
- 14. Apr. 2022
- 5 Min. Lesezeit
Blog 6: 19. Juli 18 - Nach einer akustisch ereignisreichen Nacht neben Familie Knartsch, die uns mit Geschnarche und Geknartsche in den Schlaf verabschiedete, wurden wir gegen 7:30 Uhr wach und genossen unser nunmehr fast tägliches Morgenritual - den Frühstücksbrei mit einem Cappuccino. Heute hatten wir keinen Zeitdruck, das Ziel lag etwa 23,5 km entfernt. Nach dem gemütlichen Packen unserer Sachen starteten wir noch vor allen anderen gegen 9:00 Uhr. Nach den gestrigen etwa 200 hm hieß es nun auf zu unseren letzten 23,5 Trailkilometern mit ca. 280 hm. Mit dem Laugavegur zusammen waren es in 5 Tagen dann etwa 130 km mit einem 23 kg Rucksack und etwa 2500 hm, nicht schlecht für meine erste richtige Rucksacktour. Doch das hatten wir so noch gar nicht im Kopf, sondern nur die heißen Quellen, die im Ziel auf uns warten sollten, wie der Autor versprach.
Die letzten Kilometer merkten wir definitiv in unseren Beinen, es waren wohl die härtesten, doch wie sagt man so schön? „Der Weg ist das Ziel.“ Der Weg wurde deutlich spannender als tags zuvor, doch etwas verwöhnt, waren wir nur schwer zu begeistern. Der angekündigte steile und gefährliche Schotterabstieg erwies sich für uns als problemlos und willkommene Fotokulisse. Die Oberschenkel und die Blase begeisterten sich eher weniger dafür. Nach der anschließenden Schluchtenüber-querung mussten die ersten Blasen dann doch versorgt werden. Das Blasenpflaster kam zum Einsatz, sonst sträuben wir uns doch eher vor solchen Hilfsmitteln. Mal ganz ehrlich, die sind doch etwas für Weicheier … Einige Jahre später sollten wir sie beim Skitourengehen noch lieben lernen, da sonst so manche Tour unmöglich geworden wäre. Die Route des Kjalvegur-Trails führt zwischen den beiden Gletschern Langsjökull und Hofsjökull entlang, ihre Gletscherschmelze speist die Seen, frisst sich dabei aber durch zahlreiches Geröll und Treibgut tief in das Gestein hinein und bildet dabei bizarre Figuren.
Die 6-spurige Schafsautobahn begleitete uns weiter kilometerlang, den Schafen blieb wohl auf ihren Expeditionen nichts anderes übrig, als in den Wegen zu bleiben. Bei der eingetretenen Wegtiefe hatten sie wohl kaum eine Chance, richtig herauszuschauen. Einige aufgebaute Steinwarten (Stein-männer) wiesen uns den richtigen Weg, teilweise war es auch nur Raterei und Orientierung im Gelände. Vom hochgelobten Marco Polo Weg war dennoch nicht so viel zu spüren, zeitweilig verließ die sowieso schon absolut spärliche Wegmarkierung den Weg vollkommen. Manchmal wurden wir auch mit beeindruckenden Wegdetails, wie einem Ferchgelände oder einem alten herunter-hängendem Schild überrascht. Die ersten 10 km waren kein Problem, aber am angesprochenem Ferchgehege gabs das erste weibliche Tief. Was macht man da, den Weg kann man nicht verändern, die Länge auch nicht, menschliche Zivilisation war weit entfernt, es musste weiter gehen. Essen – etwas Süßes … mit einem Cliff und einer Fruchtschnitte gingen die Mundwinkel doch wieder nach oben. Uns begegneten sogar die ersten Menschen auf dem Trail, zwei belgische Mädels.
Das Zwischenziel - eine 1939 gebaute FI-Hütte (Ferðafélag Íslands). Sie war gänzlich verriegelt, aber so, dass man sie im Notfall oder zur Übernachtung öffnen konnte. Die FI-Hütten sind im gesamten Land verteilt, sie sind nicht immer auf neuestem Standard, eher sehr urig und rustikal. Doch bei Wind und Wetter, welches auf Island ganz schnell umschlagen kann, ist wohl niemand wählerisch, sei der Platz noch so gering. Sie haben meist auch eine gasgefeuerte Kochstelle, Gasflaschen stehen mit Anleitung im Eingangsbereich sowie eine Kasse des Vertrauens. Diese Hütte bot Platz für 10 erschöpfte Wanderer, sie drängte sich förmlich für unseren Mittagsschmaus, einer kernigen Tütensuppe in dieser urigen Umgebung auf. Schnell noch das Gästebuch inspiziert, ab und zu über die Einträge gegrinst, die hier verweilenden Nationen bestaunt, hieß es bei Sonnenschein auf zu den letzten Kilometern. Gehen, ohne noch das hiesige Plumsklo auszuprobieren? Nein, das geht auf keinen Fall. Das Plumsklo in Form einer Miniaturfinnhütte wird immer wieder umgestellt, ein neues Loch gegraben, bis es wieder voll ist. Also etwas Achtung ist in der Nähe der Hütten gefragt, möchte doch keiner in die gefüllten Löcher treten 😊.
Die letzten 10 km, wir starteten also in Richtung Ziel, wir verließen das nach einer Legende benannte Tal der Diebe - Þjófadalir Tal … Endspurt. Von unseren Mitcampern war noch keine Spur. Von Familie Knartsch erfuhren wir heute früh, dass sie ein Durchschnittstempo von etwa 2,5 km/h anpeilen. Mal sehen, ob sie das Ziel heute noch erreichen. Die Landschaft veränderte sich nicht wirklich, außer dass wir den Flusslauf links liegen gelassen und die Graslandschaft verlassen haben, die rotgelbe Lavagesteinwüste uns also wieder hatte. Zwischendurch mussten wir von Grashügel zu Grashügel springen, um nicht zwischen ihnen laufen zu müssen. Wir vereinfachten uns das Ganze, indem wir sagten, es wären Trollköpfe … Über Island gibt es viele Mythen, zum Beispiel sollen sich runde Steine, die mit Moos und Gras bewachsen sind, nachts in Trolle verwandeln. Sie gehen dann auf die Suche und sollen sogar vor Menschen nicht Halt machen.
Aber es gab nur eins, immer weiter, denn im Ziel wartete der Hot Pot auf uns. Wir kamen an ein Schild, auf dem noch 6 km angeschrieben waren. Wir stellten uns nach den Erfahrungen vom Skogarfoss die Frage, ob es sich hier um isländische oder deutsche Kilometer handelte? Laut unserem Zeit- und Kilometergefühl konnte es nicht stimmen, eigentlich mussten wir in diesem Fall noch weiter vom Ziel entfernt sein. Das ist doch eher ein gutes Zeichen, also einfach Kopf runter und laufen 😊.
Die Kilometer zogen sich in die Länge. Plötzlich Hausdächer, Zivilisationserscheinungen endlich das Ziel „Hveravellir“ und der Endspurt war unserer. Im HotPot saßen schon einige Leute, aber egal, wir mussten da einfach hinein. Es sollte unsere Belohnung nach 5 Tagen und 130 km sein. Vorher bauten wir noch das Zelt auf und machten alles fertig, danach gab es die verdiente Belohnung. Mit uns saß eine „LandRover Experience“-Reisegruppe im HotPot. Zwei Schläuche führten kühles und ein Schlauch kochend heißes Wasser in das Becken, die harte Reisegruppe saß eher am kalten Schlauch und wunderte rum, wie warm es doch sei. Wir genossen den Zustrom des heißen Wassers. Auf der Stirn sammelten sich die ersten Schweißtropfen. Die Muskeln sehnten sich nach Entspannung, so langsam verringerte sich die Kontraktion, der Körper ließ diese Wohltat nach der Tortur einfach zu. Das heiße Wasser kam direkt aus einer angrenzenden heißen Quelle und dem Geysirfeld, es hatte 80-100°C.
Danach hieß es erstmal essen, heute gab es Polenta & Chili Con Carne und im Anschluss genossen wir die Sonne im Geysirfeld, machten ein paar Fotos und nahmen ein zweites warmes Bad. Das aus dem Boden herausbrodelnde Wasser erzeugte kleine Schlammvulkane, der Wasserdampf brachte einen Kalkvulkan zum Pfeifen. Das erste Mal konnten wir unsere mitgetragenen Zeitschriften in die Hand nehmen, so richtig war es uns noch nicht bewusst, aber der Weg ist geschafft, wir haben es geschafft. Jetzt kann der Erholungsurlaub losgehen … Erholung ??? Wir waren gemeinsam mit Familie Knartsch gestartet und freuten uns schon am frühen Nachmittag das Ziel erreicht zu haben, wir sahen bei unserem Abendspaziergang nicht richtig. Gegen 21:00 erreichten auch sie Hveravellir. Für Sarah hielten sie noch eine Überraschung parat. Sie hatte ihr Cappi unterwegs verloren, wir wussten jedoch nicht wo. Familie Knartsch brachte es uns mit, Sarah hatte es schon kurz nach dem Start beim Nachjustieren des Rucksacks verloren. Vielen Dank dafür.
Laugavegur 80 km + Kjalvegur 50 km = 130 km, viel Landschaft, viele Lacher, viel WIR und das in 5 Tagen. Sicher konnte man herauslesen, dass wir vom zweiten Trail nicht so sehr beeindruckt waren, was wohl an Spektakelüberfrachtung des Laugavegur lag. Der Kjalvegur ist ein Weg durch karges Gelände, der wenig begangen ist, der einen zum Nachdenken bringt und absolute Zivilisationsruhe bereithält. Man durchquert offene charmante Landflächen, welche durch Gletscher geformt wurden und sieht die beindruckenden Bergketten rechts und links. Der Trail verläuft auf der ehemaligen Hauptstraße, als Pferde noch das Haupttransportmittel waren. Fast alle Routenführer empfehlen, ihn andersherum zu laufen. Wir entschieden uns bewusst dagegen, da wir so ein reales Ziel mit einem Campingplatz hatten, nicht nur eine Bushaltestelle, bei der der Abfahrtszeitpunkt des Busses nicht genau feststeht. Des Weiteren sind die heißen Quellen einfach etwas, worauf man sich entlang des gesamten Weges freuen kann. Durch die drei Schläuche kann man die Temperatur des Beckens sehr gut regulieren. Doch Vorsicht, kochend heißt wirklich kochend.
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