Am Ende der Kräfte – Rauris (AUT-6)
- Hardy
- 13. Feb. 2022
- 4 Min. Lesezeit
10.02.2022 – Das gute Wetter hatte etwas mit uns vor, also hinein das Frühstück, heute musste es lange reichen. Die Skier und das Tourengepäck ins Auto und der erste Schock schon bei der Temperaturanzeige. Wir hatten uns schon gewundert, als wir die Skier vom Balkon holten, das noch leicht feuchte Oberteil dampfte am Körper. 10,5 Grad unter Null zeigte die Anzeige an und aufgrund des guten Wetterberichts hatten wir extra eine Schicht weggelassen.
So fuhren wir zu Andi und freuten uns über die anschließende Fahrt bis nach Rauris. Etwas länger frei von Frost, bei -7 Grad mussten wir dann doch raus. Ein dünnes Jäckchen, ein Langarm- und Kurzarm-Shirt, das musste reichen. Den Einstieg in die Tour angelaufen und hinein in die Spur. Ein längeres flach ansteigendes Feld zum Einlaufen und schon war es warm, die Sonne meinte es mit ihrer Anwesenheit auch gut. Ein Baum links, ein Baum rechts, eigentlich ganz viele Bäume und immer wieder ducken oder zur Seite lehnen, um an den Ästen nicht hängen zu bleiben. Auch einen kleinen Bach galt es zu überwinden, wobei die Steigfelle der Ski trocken bleiben müssen, sonst gibt es Eisbildung unterm Ski. Rauris bietet seinen Gästen eine gut ausgeschriebenen Schneeschuhtour, der wir über weite Strecken erstmal folgten. Wer den Wald beim Tourengehen lieber meidet, kann auch die entspanntere Forststraße nehmen. Manche Bäume begrüßt, kamen wir auf eine Lichtung an der Baumgrenze. In den Alpen liegt die Baumgrenze bei 1800 bis 2000m. Erinnert ihr euch noch an unsere Wanderungen im Kaukasus, dort liegt sie über 3000m. Je nach Region und Gebirge variiert die Baumgrenze, übrigens auch interessant für Biwakierer.
Eigentlich sah der Gipfel zum Greifen nah aus, nur noch das Schneefeld überwinden, vielleicht 5 Kehren und dann müssten wir doch da sein. Unser Auge sollte sich extrem täuschen. Erstmal Jacke auf, die Mütze zum Entlüften wie ein Tourist auf und dann Kehre für Kehre, Schritt für Schritt hinauf. Mal eben waren dann wohl doch 200 hm und etwa 30 min Gehzeit. Aus dem Gipfel wurde auch nur ein Zwischengipfel, denn als wir den Zielgipfel sahen, klappte die Kinnlade unerwartet herunter. Das ist dann wohl doch nochmal harte Arbeit. Gestern brannten die Oberschenkel schon mächtig und heute bei der 5. Tour am 6. Tag mussten wir die Ermüdungserscheinungen hinnehmen. Wasser rein in den Körper, Brot rein in den Körper, doch zu spät. Der Hungerast kam, ein Anfängerfehler und jeder Schritt kam einem wie Blei vor. Durch die Wasserbildung auf dem Harscheis hatten sich die Felle vollgesogen und den nunmehr trockenen Schnee batzig an den Ski gezogen. Zwischenpause – Ski vom Schnee befreien, Andi hatte zum Glück Wachs dabei, um die Felle zu imprägnieren. Also weiter des Weges, doch das Blei blieb. Die Schritte kürzer, Durchschnaufen war angesagt, doch der Hungerast blieb und wer schon mal einen hatte, weiß um die folgende körperliche „Leichtigkeit“. In der Scharte etwa 50 hm vorm Gipfel angekommen, wollte ich die beiden ziehen lassen, mir die Sonne gefallen lassen und warten.
Das kam nicht in Frage, Andi ließ mich einfach nicht, die Harscheisen aus dem Rucksack, zur Stabilisierung im Eis an die Skibindung eingeschoben. Doch der Untergrund war einfach unangenehm, die Skier nur auf der Kante als Auflage rutschten auf dem schmalen Stück ohne Stockunterstützung immer wieder talwärts. Die Lösung so einfach wie sommerlich. Ski abschnallen und bis zum Gipfel laufen, es war ja nicht mehr weit. Und was uns dort erwartete, war schier eine Überflutung für die Augen. Ohne Wolken wohl einer der bisher schönsten 360°-Panoramen vom Silberpfennig, die wir bisher sahen. Zu schön, um wieder zu starten, aber was will man machen. Runter zu den Skiern und Schalter umlegen, Sportartwechsel – Kopf frei für die nächsten Schwünge. Hinein in die Abfahrt, oben noch etwas harschig, dann feiner Powder, wobei man immer merkt, länger im Schatten liegende Flächen sind deutlich geschmeidiger zu fahren. Feine Schwünge konnten wir ziehen, unsere drei Spuren nebeneinander bewundern, es waren die ersten heute. Bis, ja bis der Schnee nass und schwer wurde, dann kam der Oberschenkeltod. Jeder Schwung ein Genuss, jedoch der Zwang für den Oberschenkel zu stehen, das Brennen zu überstehen … Durch den Wald, immer ein Schwung direkt vorbei an den Bäumen, sonst gibt´s eine ungewollte Umarmung. Manchmal war es ganz schön knapp. Neu aufgeforstete Flächen mit ihren kleinen Tannen sind etwas einfacher, kann man sich nicht für rechts oder links des Baumes entscheiden, nimmt man sie auch mal mittig. Jeder Buckel - ein gesägter Baumstumpf, die es definitiv zu vermeiden gilt.
Unten angekommen, hatte es an den Skiern ab und zu geratscht, doch was für eine tolle Abschlusstour. Eine urige Einkehr mit Jause unter den Einheimischen und die letzte Tour war Geschichte. 14,1 km, 1580 hm bis zum 2604 m hohen Silberpfennig. Ein weiterer erreichter Gipfel, der Gipfelblick offenbarte aber auch, wie viele Gipfel noch offen sind.
Knappe 1600 hm – nicht genug für einen Tag. Ein Gipfel sollte es noch werden. Den Rucksack gepackt und Sophie nachts abgeholt. Schon in der Vergangenheit reichte ein abendlicher oder nächtlicher Anruf für ein Zusammentreffen. Am Eingang vom Schlatterberg jeder mit einem Rodel in der Hand und 250 hm vor den Augen. Hinauf zum Winterbauer, den Schlitten hinterhergezogen. Als Abschluss der gemeinsamen Zeit zu viert einen Glühwein mit Ausblick und einer temporeichen Abfahrt. Doch immer sei gewappnet, jede Kurve kann dein Aus und eine Landung neben der Piste im Tiefschnee bedeuten. Jeder will der erste sein, nicht den Schneestaub des Vordermanns „fressen“, die Kurve angebremst, die Kufen belastet und das Heck überschneidet. Immer wieder ein Spaß für alle.
Comments