top of page

Anstehen am Mt. Everest – Hoverla (UKR-3)

  • Hardy
  • 30. Juni 2021
  • 4 Min. Lesezeit

29.06.2021 – Mit wohl etwas zu viel Vodka im Spiel stellten sich zwei Fahrer eines alten roten Ladas um 3:00 nachts hinter den Polwan und hatten viel Spaß dabei, zu hupen und rumzubrüllen. Standen wir doch leicht im Wald an einer sonst ausgestorbenen Straße. Im Dunkeln würde ich diese auch nicht versuchen wollen.

Mit dem Trommeln von Regentropfen ging es dann in den Morgen, natürlich konnte es nicht anders kommen, dass es regnet und nebelt, wenn wir in die Höhe wollen. Geduld war gefragt, nebenbei entstand ein Kuchen und einige andere Dinge. Gegen 10:00 brachen wir dann auf, die Straße wurde nicht besser, doch zu Fuß war es uns egal. Nach etwa einem Kilometer wurden wir von einem Ranger an einem Kontrollpunkt aus dem Verkehr gezogen, er konnte es uns auch nicht sagen, leitete uns nur in ein Haus. Die Dame am Tresen sprach nur etwa 4 Worte Englisch (without car, name, 60). Der Eintritt in den Nationalpark kostet 30 UAH/Pers. (1 €). Wir machten uns also auf den Weg, es war eine Schotterpiste mit großen Steinen, ein Fahrweg direkt an einem schönen Fluss. Nie hätten wir einen Gedanken daran verschwendet, hier mit dem Polwan hochzufahren, doch hier tat es jeder, vom Kleinwagen, über Taxi bis zum Ikarus-Bus. Alle quälten ihre 4 Räder im Slalom über die absolut schlechten Wege. Die Folgen waren mehrere hörbare Aufsetzer, abgekratzte Steine, Öltropfen und klappernde Autos. Gute 8 km ging der Spuk der überholenden Autos, es folgten einige Verkaufsbuden, die von Gewürzen, Getränken, Tüchern, Stricksocken alles hatten, aber auch Medaillen und Pokale. Wir schauten uns nur verwirrt an, kamen uns an einem normalen Dienstag doch schon etwas wie im Massentourismus vor.

Was hatten wir eigentlich vor? Heute wollten wir den höchsten ukrainischen Gipfel, den Hoverla (2061 m ü. NN) besteigen. Übersetzt heißt dies Schneeberg und er befindet sich im Biosphärenreservat und Nationalpark Ostkarpaten. Unsere Ausrüstung dafür war spärlich, mit Höschen und Hemd, 2 Regenjacken, einer Drohne und etwas zum Essen und Trinken. Es musste also an einem Tag klappen.

Für die Besteigung boten sich 4 Wege an, rot, gelb, grün und blau. Wir entschieden uns für grün, es war der längere Aufstieg, in der Hoffnung keine Massen vor uns zu haben, die eher den blauen Weg wählten. An einigen Campingzelten vorbei ging es meist entlang eines Wurzelweges ziemlich steil bergauf, etliche vor uns gestarteten Autofahrer machten schnell mit Händen in den Hüften halt am Rand. Gut für uns, so mussten wir sie nicht im Steilstück überholen. Ein schmales und feuchtes Wegelein führte durch ein Kiefernwäldchen direkt zum Steilhang. Der Regen hat das Geläuf ziemlich rutschig werden lassen, was die Rutschspuren vor uns anzeigten. Ein kurzes Zwischenplateau und dann ging es in einen Sattel und genau ab diesem Punkt hörte das aufklarende Wetter auf, es windete und wir waren direkt in der Wolke mit Sichtweiten teilweise unter 5 m. So ging es etwa die letzten 300 Höhenmeter. Hatten wir Sicht zum blauen und kürzeren Wanderweg, sahen wir nur, wie die Menschen förmlich anstanden, um weiter zu kommen. Vor etwa 3 Wochen sahen wir ein ähnliches Bild vom Mt. Everest, wie Massen hintereinander standen und nur mal auf den Gipfel wollten. So kamen wir uns auch vor. Der Gipfel ganz in der Wolke, mit einem Kreuz, Monument und Grabstein und 2 Verkäufern von Tee, Regenponchos sowie Medaillen und Pokalen. Es scheint wohl die Aufgabe eines jeden Ukrainers zu sein, 1x im Leben den Hoverla zu besteigen und sich dafür mit einer Medaille oder Pokal auszuzeichnen. Etliche Medaillen hingen um den Hals und die Gesichter strahlten vor Stolz.

Auf der Suche nach dem Einstieg zum blauen Abstieg fragten wir einen Mann. Englisch sprach er nicht, er bat uns Deutsch an. Es stellte sich heraus, dass er früher in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) als Marathonläufer mit den Deutschen trainiert hat. Nur die regionale Sprache (Sächsisch) verstand er trotz seiner Deutschkenntnisse nicht. 😊 Herrlich.

Kurz vor dem Abstieg klarte die Wolkenfront für etwa 20 Sekunden auf, die Wolkenkante war phänomenal, sowas hatten wir noch nie gesehen. Gefühlt alle Gipfelstürmer oder besser gesagt Blaumännchen in Regenponchos sprangen auf, um das perfekte Bild dieser Wolkenlücke im Kasten zu haben.

Der Abstieg verlief unspektakulär, allerdings mit tollen Ausblicken über die Karpaten und den Hoverla-Wasserfall. Wie stark und uneinschätzbar die Natur ist, sieht man an den tiefen Furchen (bis zu 2m), die Regen und Schmelzwasser in die Wanderwege getrieben haben. Da wir auf der Reise immer etwas aus der Kultur der Länder mitnehmen, etwas so machen wollen wie die Einheimischen, gönnten wir uns als Erinnerung eine Holzmedaille (20 UAH = 0,66 €). Ein Schlauchschal gab es noch dazu und so sind die Ukraine-Souvenirs erledigt.

Auf dem etwa 9 km langen Verbindungsstück zum Polwan überholten uns etliche Autos und Taxis, manche wollten uns mitnehmen, bis neben uns wieder ein Auto hielt. Sie wollten gerne unsere Nationalität wissen, da wir nicht wie typische Ukrainer aussehen. Dem Beifahrer fielen fast die Augen raus und die Ohren ab. „Sie sprechen Deutsch? Ich studieren Deutsch in Fakultät“ Er war so begeistert, dass er trotz mehrerer Versuche kein deutsche Wort mehr herausbekam. 😊

Kurz vorm Polwan fanden wir freies WLAN an einem Haus, nutzten es kurz, ob etwas wichtiges geschehen war und dann gab es den frischen Kuchen aus dem Omnia. Da wir an einem Waldparkplatz mit Schelter stehen, können wir nach 1166 hm und 27 km nun den Rest des späten nachmittags und abends noch in der Hängematte und im Schelter zum Arbeiten mit nun wolkenfreiem Blick auf den Hoverla nutzen. Heute bleibt der Polwan stehen, da wir morgen früh nur ein kurzes Überbrückungsstück fahren. Hoffen wir auf weniger Vodka-Bolde in der Nacht.

 

Commentaires


DSC01243.JPG

Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

© 2023 Die Welt sehen. Erstellt mit Wix.com

bottom of page