Boy or Girl? – Dürres (Alb 6)
- Hardy
- 23. Jan. 2022
- 4 Min. Lesezeit
21.01.2022 – Brr war das heute kalt. Wahrscheinlich die kälteste Nacht, die wir in letzter Zeit hatten. Unser Thermometer im Schlafbereich zeigte 3 °C an und in unserer Küche hatten wir wahrscheinlich unter 0 °C, die Scheiben waren gefroren. Doch dies soll bald ein Ende haben. Wir wärmten uns bei einem Pudding mit Haferflocken zum Frühstück auf und danach ging es zu einem ausgiebigen Strandspaziergang. In der Sonne war es schon wunderbar warm und der Strand zeigte sich in einer guten Form. Er war herrlich breit und verhältnismäßig sauber. Im Sommer wird hier sicher alles sauber und ordentlich sein. Hier ist ein Hotel am nächsten, sind sehr modern und laden definitiv zu einem Besuch ein. So weit und heute so wenig Menschen. Auch hier am Strand standen wieder Bunker, die durch die Wellenbewegung aber eher freigespült waren. Albanien und seine Bunker, dem werden wir bald auf die Schliche kommen.
Nach unserem Strandspaziergang, bei dem wir unser nächstes Ziel schon klar vor Augen hatten, ging es nach Dürres, der größten Hafenstadt des Landes. Auf dem Weg dorthin lernten wir das kennen, was wir von Albanien im Gro gehört hatten. Unser Navi versuchte uns auf dem kürzesten Weg zur Schnellstraße zu bringen, die wirklich schwer zu erreichen war. Vorbei an Grundstücken, die eher Slumcharakter hatten, waren so auch die Straßen, schottrig, schlammig und jede Menge Löcher. Die Anfahrt zum Howerla/UKR war uns plötzlich wieder vor Augen. Die Schnellstraße schon im Blick, ging es noch an einer asphaltierten Baustelle vorbei, wir hatten die Rechnung ohne einen LKW-Fahrer gemacht. Er hatte so dezent platzsparend geparkt, dass nur ein Roller problemlos vorbeigekommen wäre, doch wir? Wir wichen in den matschigen Straßengraben aus, immer am Gas, um das Heck nicht zu verlieren oder einfach im Matsch stecken zu bleiben. Geschafft hatten wir es, doch das Ergebnis war wie ein Bauer aus dem matschigen Olivenfeld. Über einen Kilometer löste sich der Schlamm langsam vom Rad, klatschte in den Radkasten und danach auf die Straße. Die Spur verfolgte uns, wir mussten nichtmal aus dem Fenster winken und rufen: „Wir waren´s.“
Ein Parkplatz war schnell gefunden und der Weg in die Stadt war wirklich leicht. Es ging vorbei am Hafen, der alten Stadtmauer mit venezianischem Wachturm zur Promenade. Diese war recht modern angelegt, mit vielen Sitzmöglichkeiten, wie sie in den Skigebieten oft stehen und Cafés. Es war recht viel los und wir schauten noch an einem Restaurant auf einem Pier vorbei. Die letzte Sturmflut hatte nicht nur viel Seegras an Land gespült, sondern auch ein Schiff, dass seitlich lag.
Und dann kamen wir zum Ende der Promenade, die mit einer architektonisch schönen Sitzmöglichkeit ausgestattet war. Schon von Weitem sahen wir, dass da wohl etwas passiert bzw. das da auf etwas gewartet wird. Ein Kamerateam mit Drohne, ein Tor mit massig blauen und rosa Luftballons und auf dem Tor die goldene Aufschrift „Boy or Girl“ ausgeschrieben. Erst dachten wir, es sei vielleicht ein Coming Out einer Person. Einfach mal hinsetzen und dem Spektakel beiwohnen. Plötzlich kamen zwei Personen, komplett in weiß gekleidet um die Ecke. Ein Mann und eine Frau, schnell wurde klar, dass die Frau in anderen Umständen war, um ehrlich zu sein, der Mann hätte durchaus auch für schwanger durchgehen können. Ein Hin, ein Her und wieder ein Hin und Her. Man bat uns die Fläche zu verlassen. Es wurden Fotos gemacht, eine Kamera wurde bereitgestellt und eine Drohne flog auch herum. Sie bekamen einen schwarzen Luftballon in die Hand gedrückt, auf dem die gleiche Frage stand „Boy or Girl?“. Der Ballon wurde in die Luft gehalten, aus den umliegenden Restaurants schielten die Besucher durch die Scheiben, um uns herum hatten sich weitere Schaulustige versammelt. Und alle fragten sich, was wird es denn nun. Boy or Girl? Die Spannung war spürbar, der Mann hatte die Nadel zum Zerstechen schon in der Hand, doch weitere Bilder folgten. Was muss das für eine Anspannung sein, die Nadel zu haben, aber nicht zustechen zu dürfen. Der Moment kam, der Arm hob sich, die Nadel traf den Ballon, die Kunststoffhülle hielt mit all ihrem elastischen Vermögen dagegen, bis die Nadel eindrang, der schwarze Ballon platzte und kleinere Ballon stiegen auf, somit wurde das Geheimnis gelüftet, sie waren rosa. Rosa Bengalos zündeten und Rauch stieg in die Luft, die Menge applaudierte. A Girl. Die beiden bekommen ein Mädchen. Wieder haben wir durch Zufall eine für uns unbekannte Tradition gesehen und konnten eine Geschichte in die Heimat transportieren. Was sich Sarah dabei fragte, ist es so wichtig, was es wird? Muss man denn so eine Zeremonie daraus machen?
Für uns hieß es noch ein Besuch beim Bäcker, neue Versuche, bessere hatten wir schon, noch ein kleiner Zwischenstopp bei der Ausgrabungsstätte des wohl größten Theaters Albaniens und ab zum Polwan. Für uns ging es 40 km Richtung Osten, der Kosovo ist nun auch nicht mehr weit, doch wir machten Halt in Tirana, der Hauptstadt Albaniens. Die Fahrt dorthin war ein bisschen abenteuerlich. Zwei Autos, rechts und links von uns machen bspw. zu und sehen uns nicht? Wir verschwinden mit unserer Größe in keinem toten Winkel … Reißverschlussverkehr – Fremdwort und rechts vor links gilt nicht, auch Vorfahrtszeichen nicht unbedingt. Bedenkt man, dass bis 1958 nur 1 % der Fahrer eine Fahrerlaubnis hatten, wirkt es heute wie 10 % 😊. Spaß, man muss sich aber immer etwas vorsehen, dann klappt es super.
Warum wir heute definitiv nicht kalt schlafen, erfahrt ihr im nächsten Blog.
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