Eine Seefahrt, die ist lustig … - Schwarzes Meer (Fähre 3)
- Hardy
- 19. Juli 2021
- 4 Min. Lesezeit
16.07.2021 – Eine absolut erholsame Nacht liegt hinter uns, nur vom Sonnenaufgang und ein paar Fotos gegen 5:00 unterbrochen. Ein langes Bett, ruhige Nachbarn und die Meeresbrise aus dem offenen Fenster machten aus Kriegern fromme Lämmer der Nacht.
Am gedeckten Frühstückstisch mit Rührei, dicker kurzer Wurst, Weißbrot und Haferschleim warteten wir gespannt auf unser Radlerduo, kam nur einer, beide oder gar keiner? Sie schlossen gestern noch Frieden und versprachen sich, sich gegenseitig nichts zu tun. So konnte es also mit dem nächsten Lacher in den Tag gehen.
Anfangs arbeiteten wir wieder am Reiseblog, es ist der zweite Tag, doch die Zeit vergeht wie im Fluge. Vor dem Mittag gab es noch etwas Lektüre von anderen Autoren außer uns und dann hieß es schon wieder aus den Lautsprechern: „Enjoy your meal, but don´t be late.“ Nach dem gestrigen Fisch überraschten sie uns heute mit Chickenwings, Kartoffelsuppe, einem Salat und Apfel. Da alles schon portioniert für jeden auf dem Tisch stand, hält natürlich keiner an der Menüreihenfolge fest, um fast zum Schluss eine kalte Hauptspeise zu vertilgen.
Immer mehr erfährt man von den anderen, welche Erfahrungen sie gemacht haben. So hat Michael nicht nur einen weiteren Radler in den Karpaten getroffen und ihn anschließend zuhause in Odessa besucht, sondern auch von einer polnischen Ladeninhaberin zu seinem bestellten Kaffee selbstgeschmierte Brote zur Stärkung bekommen, entgeldfrei. Wir kamen zum einheitlichen Schluss, dass sowas wohl nur in den östlichen Ländern Europas passiert, da wir ähnliche Erfahrungen machten. Was wir nicht in Erfahrung bringen können, da es uns niemand sagen kann, ist die Ankunftszeit, wird es noch heute, morgen oder einfach Mitternacht?
Immer wieder kommt die Durchsage, dass das Cargodeck für 30 min geöffnet sei. Schließlich haben wir neben etwa 100 Personen ebenso viele Kühe und Schweine in drei LKW´s dabei, die es zu versorgen gilt. Für uns ist dies eine ganz schöne Tierquälerei, während die Sonne den ganzen Tag erbarmungslos auf die Tieranhänger knallt. Eine solche Öffnung nutzten wir, um die Kaffeetassen aus dem Polwan zu holen, denn an der Rezeption gibt es nicht nur einen kalten, sondern auch einen heißen Wasserspender. Den Nachmittagskaffee gab es dann an der Reling beim Beobachten der vielen springenden Delphine und leider auch viel vorbeitreibendem Müll.
Mittlerweile machten sich einige sogar Gedanken wegen der unbekannten Ankunftszeit, ob es überhaupt noch Abendbrot geben würde. Ein Blick auf Googlemaps verriet etwa 1/6 lag noch vor uns. Zum Abendbrot gab es dann Schnitzel. Wer nicht zu spät war, bekam es sogar warm. Essensmäßig waren wir gut genährt auf der Fähre, doch hätten wir uns nicht so viel Arbeit mitgenommen, entspringt dort schnell Langeweile. Die Freizeitbeschäftigung ist auf 4 Glücksspielautomaten und eine Bar beschränkt, der Luxus auf ein absolutes Minimum reduziert. Aus den Zimmern der LKW-Fahrer drangen oft laute Klänge von Filmen oder Handyspielen. Raus kamen sie nur zum Rauchen und Essen.
Abends trafen wir uns wieder an der Reling, unglaublich, man kennt sich keine 48 h, doch irgendwie entsteht ein Band, Sam und Michael hatten auch schon die ersten Blogbeiträge durchforstet und wir mussten ihnen gestehen, dass sie auch schon in unseren aktuellen Blogs stehen. Michael stellte ebenso wie wir nach einem Teil unserer Reise fest, dass man viel zu wenige Fotos mit Menschen macht, die man trifft oder mit denen man etwas erlebt hat. Inhaltlich interessante Gespräche entwickelten sich und Sam war immer wieder der Meinung, dass die Deutschen englische Wörter zur Grundlage nehmen, wir denken eher, die Briten sind die Rabauken 😊 bspw. Urne – urne
Die Sterne am Himmel riefen zur Nachtruhe oder einem Runterfahren, doch 1:15 kam die Durchsage, die Zimmerschlüssel müssen gegen die Pässe eingetauscht werden. Viele Durchsagen erhielten wir nur auf Ukrainisch, wir fühlten uns manchmal nicht angesprochen, manchmal half es, den Kopf einfach nur aus der Zimmertür zu halten. Gegen 2:15 legte die Fähre mit der Hilfe von Schleppern im Hafen an und um 3:30 sollten sich alle in der Bar zur Customercontrol einfinden. An erholsamen Schlaf war auch diese Nacht nicht zu denken. Die Beamtin freute sich in Sarahs Daten zu sehen, dass sie Wiederholungstäterin in diesem Lande ist, so ging die Kontrolle relativ schnell, als erste Beamtin wollte sie sogar die Führerscheine sehen.
Wir verabschiedeten uns noch von Michael und halfen ihm bei seinen Packtaschen, 4 Stück davon sind immer sehr unhandlich. Auch der Abschied von Sam fiel schwer, er zog seinen Rollkoffer die Rampe hinunter und wank nochmal. Michael radelte mit dem bepackten Reiserad aus der Fähre heraus und wir mussten uns rückwärts die schmale Rampe herunterschlängeln, da kein Platz zum Wenden war. So löste sich unsere elustre Runde auf. Unterhalb der Rampe waren die Polizeibeamten über ein rückwärts ausfahrendes Auto etwas verwundert, wollten aber nur den Pass sehen. An der Bordercontrol schaute der Beamte nur beiläufig in die Seite hinein, fragte, ob wir aus touristischem Zwecke reisen … und verabschiedete uns wie fast alle Beamten mit einem: „Auf Wiedersehen.“ Alle freuten sich, ihre Wortfetzen Deutsch für uns verwenden zu können. Das Tor rollte langsam vor uns auf, die Kupplung langsam kommen lassen, schön langsam fahren und schon waren wir in einem neuen Land unserer Reise.
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