Geteilte Identität – Nikosia/Lefkosia (TRNC / CYP -1)
- Hardy
- 24. Okt. 2021
- 5 Min. Lesezeit
20.10.2021 – Da waren wir nun, ein neues Land, unsere erste Insel der Reise und noch vor riesigen Fragezeichen. Zypern ist eine Insel mit zwei Identitäten, aufgrund von früheren Machtansprüchen zwischen den Ländern Griechenland und der Türkei, die bis heute anhalten, gibt es Nordzypern und die Republik Zypern (EU-Mitglied). Ähnlich wie Transnistrien wird Nordzypern international nicht als Land anerkannt, nur von der Türkei. Beide Länder haben eine eigene Flagge, die von Nordzypern erinnert stark an die türkische Flagge, nur in umgedrehten Farben und mit zwei durchgehenden roten Linien. Die Republik Zypern hat die gesamte Insel in Gold auf weißem Untergrund. Da die Konflikte bis heute nicht geklärt wurden, gibt es eine Demarkationslinie zwischen beiden Ländern, es wird auch vom grauen Bereich gesprochen. Die UN hat diesen Bereich angelegt, ein nicht zu betretender Landstreifen zwischen beiden Ländern, den sie auch überwacht.
Nachdem wir erfolgreich in das Land kamen, entstehen genau mit der Demarkationslinie neue Fragen des Übertritts. In Ani trafen wir deutsche Camper, die meinten, dass ein Übertritt nur zu Fuß möglich wäre, aber auch nur für Einheimische. Ausländer hätten keine Chance. Auf der Seite des Auswärtigen Amtes entnahmen wir, ein Übertritt ist möglich, allerdings nur mit offiziellen Passierscheinen. Nordzypern kategorisiert Deutschland als grünes Land, Einreise ohne Weiteres möglich, die Türkei orange, Einreise nur mit Vaccine und PCR-Test möglich. Hingegen kategorisiert die Republik Zypern Deutschland als orange, Einreise grundsätzlich nur geimpft und mit Test, die Türkei, in der wir 6,5 Wochen waren als grau und somit nur mit Vaccine, Test und 2 Wochen Quarantäne ein. Na da hatten wir uns ja auf etwas eingelassen.
Mit einem frischen Test in der Tasche und den Infos der Customcontrol machten wir uns flux auf zur Demarkationslinie in der geteilten Hauptstadt Nikosia/Lefkosia. Getreu unserer bisherigen Reiseerfahrungen versuchten wir es einfach, mehr als zurückschicken geht doch nicht. So hatten wir es schon in Aserbaidschan erlebt. Spannend, das erste Mal Linksverkehr in unser beider Autofahrkarriere und dann gleich in die Hauptstadt. Im Kopf immer den Gedanken, das Lenkrad muss außen sein, waren die ersten Kreisverkehre mit Linksein- und Ausfahrt schon spannend. Selbstverständliches Rechtsabbiegen wird im Linksverkehr nur mit besonderer Vorsicht und großem Radius möglich. Ankunft an der „Grenze“, in Nordzypern ausreisen, Passkontrolle am Schalter, Kontrolle der Versicherungspapiere durch Customcontrol. Alles problemlos und sehr freundlich, also auf zur Republik Zypern, eine Autoschlange hält uns von der EU noch ab. Erster Schalter, Ausweis- und Fahrzeugpapierkontrolle. Das ging schnell, da sind wir … denkste. Schon kam eine Hand, die uns 50 m weiter herausholte. Die Customcontrol – eigentlich dürften wir derzeit nicht einreisen, bräuchten eine offizielle Einladung, um ohne Quarantäne zu sein, als EU-Bürger hätten wir allerdings ein Aufenthaltsrecht. Wieder ein neuer Zettel, unsere Einreisepapiere. Für 11 Tage dürfen wir nun in der Republik herumfahren. Das passt genau in unseren Plan.
RÄUMEN WIR MAL MIT „FAST“ ALLEN MYTHEN bzgl. ZYPERN auf. Das Reisen auch als Ausländer ist zwischen beiden Ländern möglich, man benötigt für das Auto einen Passierschein, den man an der Grenze beider Länder erhält und kann damit so oft man will hin- und herfahren. Beim letzten Übertritt gibt man dieses Papier ab. Zu Fuß benötigt man nur den Personalausweis und derzeit Vaccinepapiere, wer noch keine 2 Wochen auf der Insel ist, hat sicherheitshalber ein Testnachweis dabei. Aber das sollte sich hoffentlich auf mal wieder geben. Man ist versucht, die Hürden nicht größer zu machen als notwendig.
Laut Kriminalitätsstatistik soll es ein ziemlich sicheres Land sein, so ließen wir den Polwan am ersten Tag in einem neuen Land gleich in der Hauptstadt am städtischen Schwimmbad bedenkenlos stehen. Zu Fuß nur knapp 2 km in die Stadt. Die Stadt wird auch als City in Walls bezeichnet. Die Altstadt liegt komplett umgeben von einer Stadtmauer, die fast gänzlich renoviert ist. Ebenso offenbart die Stadt ein renoviertes, freundliches und offenes Gesicht. Die Häuser und Straßen sind mit hellbeigem Gestein gebaut und dazu mit hellen und bunten Farben akzentuiert. Wir fühlten uns sofort wohl. Endlich wieder eine Stadt, durch die man durchgehen und genießen kann. Nicht nur die vielen griechischen neben den zypriotischen Flaggen zeigten, woher der Wind wehte. Es ist ein offenes Geheimnis seit unseren Blogs, dass gerade ich mein Herz in Griechenland gelassen habe. Ich fühlte mich einfach wie angekommen, der Kreis schloss sich gefühlt und all die Strapazen und Ungewissheit zwecks des Länderwechsels verflogen. Viele kleine Lädchen schreien förmlich danach, einfach mal hineinzuschauen und ein Café zu trinken. Auch verhungern tut man mit absoluter Sicherheit nicht zwischen den Mauern. Die Mauern kann man übrigens durch Tore, benannt nach großen zypriotischen Städten der Himmelsrichtungen durchschreiten. So gingen wir durch das Paphostor, aber auch vorbei am Famagustator. Beides Highlights … für uns ein Zeichen von heimatlichem Europa stellten die Kirchen dar. Nach 6,5 Wochen 4x täglichem Muezzin klang das Leuten der Glocken wie ein Konzert in unseren Ohren, davon konnten wir kaum genug bekommen. Auch erwarteten uns prunkvolle orthodoxe Kirchen mit fast verschwenderisch aufgetragenem Gold. Wir können euch neben den schönen Bummelgassen vor allem auch den Süden mit seinen schmalen Gassen und kleinen Häuschen empfehlen. Die geschlossene Touri-Info überbrückte eine Ladenbesitzerin mit ausreichend kostenfreien Stadtplänen – Efkaristo (hatten wir ja in Griechenland gelernt). An der alten City Hall schlenderten wir durch einen extrem modernen Park, der uns etwas an Valencia (ESP) erinnerte.
Man muss aber auch ehrlich sein, es wird massig renoviert, vieles ist wunderschön, geschockt waren wir über den hohen Leerstand und den geringen Auflauf an Menschen. Gegenüber der Türkei fühlten wir uns fast einsam und in Mäuschenstille. Auffallend viele Künstlerateliers und kleine Werkstätten findet der Besucher in der Altstadt. Das Bild trügen nur die vielen versperrten Grenzübergänge in den nordzyprischen Teil der Stadt. Man kann es sich fast gar nicht vorstellen, aufgestapelte Tonnen, Wachtürme, Stachel- und Natodraht sowie Mauern verhindern den Übergang. Sowas hatten wir noch nie gesehen und konnten es uns in Europa nicht vorstellen. So musste es früher mal in Berlin ausgesehen haben. Die Häuser in der grauen Zone stehen den Verfall völlig ausgesetzt.
Um in den Nordteil der Innenstadt zu kommen, gibt es einen Grenzübergang. Ausreisen aus Zypern mit Passport … relativ einfach, der deutsche Pass wirkt und wir werden vorbeigewunken. Bei der Einreise in den Nordteil wird genau geschaut, Passport, Vaccinepapiere und Coronatestergebnis. Bei der Ausreise hatte uns der nordzypriotische Polizist ein falsches Formular mitgegeben, schon sorgten wir für Aufsehen und Diskussion. Ein zusätzlicher Polizist wurde herbeigerufen … sie verstanden auch nicht, warum unser Auto in Zypern steht, wir aber von Nordzypern nach Zypern reisten und jetzt wieder zu Fuß zurück … doch es klärte sich alles.
Wir kamen fast im Kulturschock an, der griechische Einfluss fehlte, es war deutlich grauer und heruntergekommener. Man wollte fast auf dem Hacken kehrt machen. Doch hinein … Die Anzahl von Moscheen erhöhte sich schlagartig. Wir besuchten auch eine armenische Kirche mit angebautem Kloster, zwei alte Stadtviertel, wobei eines sehr schön war. Der Schlafmangel bei etwa 3 h Schlaf machte sich dann so richtig breit, die Beine wollten eigentlich nicht mehr, das optische Interesse nahm ab, Zuckermangel machte sich breit. Doch dafür ist man in Nikosia genau richtig, es gibt an vielen Ecken etwas, wir machten Gebrauch. Ein schönes buntes Kneipenviertel führte uns zu zwei Hanen und einer großen Basarhalle. Auch wir hatten gleich am ersten Tag unser Souvenir fix 😉.
Die Rückreise war entspannt, austragen in Nordzypern und einfach nach Zypern einlaufen. Wir sahen aber auch, wie viele ohne Test und mit orangem Heimatland zurückgeschickt worden. Tragisch ist das nicht, der Quicktest kostet in Nikosia 5€. Zurück am Polwan stand auch ein Vanschläfer neben uns …
Nikosia/Lefkosia ist auf jeden Fall eine Reise wert, es ist klein, niedlich und mit seiner Stadtgrenze nicht weniger interessant. Wir durchliefen die Innenstadt an einem Nachmittag, empfehlen aber mindestens einen Tag für einen Städtetrip, um die verschiedenen Kulturen beobachten und richtig unterscheiden zu können. Das Stadtbild ist von auffallend vielen Dunkelhäutige geprägt, was auch an der Lage von Zypern zur Flüchtlingsroute liegen kann. Doch die gesamte Stadt ist menschlich bunt und die vielen Graffitis und Streetartgemälde führen dies fort. Viel Spaß in der Stadt.
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