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Gipfelluft auf 4.001 m – Mt. Aragaz (ARM-17)

  • Hardy
  • 31. Aug. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

30.08.2021 – Es hieß sich heute gut zu stärken, denn wir hatten großes vor. Unseren internetlosen Stellplatz verließen wir etwas reumütig, hatte er uns doch kühle Temperaturen und viel Schatten gespendet. Noch kurz den Baum wieder von den Abspannleinen befreien und auf geht’s.

Für heute hatten wir uns nichts anderes vorgenommen, als die höchste armenische Straße und den höchsten armenischen Berg zu erklimmen. Auf der höchsten Passstraße haben wir den Polwan schon auf etwa 2400 m gebracht, da schnurrte er noch gut und der Leistungsverlust war gering. Immer wieder hielten wir uns auf Höhen nur knapp darunter auf. Doch heute sollte es auf 3.200 m gehen. Nicht ganz klar, was uns auf der Straße erwarten sollte, wagten wir das Risiko. Maps.me warnte uns schon vor 13 km Schotter. Wir waren auf das Schlimmste eingestellt, auch den Polwan stehen zu lassen und den Rest zu Fuß zu gehen, vielleicht nimmt uns ja auch ein Anhalter mit. Doch entgegen unserer Vermutung fanden wir Asphalt vor, natürlich nicht immer glatt, natürlich nicht ohne Löcher, die Neigung war zwischenzeitlich auch ganz amüsant, auch war die Straße nur unweit breiter als unsere Spurbreite, doch bis auf den Parkplatz hatten wir gutes Geläuf. Und was machte der Polwan? Natürlich hatten wir aufgrund der dünner werdenden Luft Leistungsverluste, aber es war auch nicht gerade sanft, was wir von ihm verlangten und mal ehrlich … Habt ihr euer Auto schonmal auf diese Höhe gescheucht? Wir waren stolz auf ihn. Ein vor uns fahrendes Auto war auch nicht wirklich schneller.

Ja, das vor uns fahrende Auto. Ich begrüßte den Fahrer mit „Barev“ und er antwortete mit „Morgen“. Nun gut, manchmal sprechen die Armenier ein paar Wörter Deutsch und freuen sich riesig darüber, doch der schwäbische Dialekt war unverkennbar. Wir hatten ein schönes morgendliches Gespräch und dann waren die Wanderschuhe fest am Fuß und die Route ausgemacht. Über anfänglichen Wiesenweg ging es über grobes Gestein. Je mehr Höhe wir gewannen, desto mehr merkte man die Höhe 😊. So fing der Kopf leicht an zu drücken, die Atmung wurde schwerer und der Schritt langsamer. Immer wieder denkt man, dass Bergsteiger in großer Höhe total übertreiben, wenn sie sich nahezu in Zeitlupe bewegen, doch heute merkten wir auch, dass die Bewegung einfach langsamer wird. Wir folgten den Steinmännern bis zu einem Sattel und hatten sie nun vor uns. Der höchste Berg Armenien hat 4 Gipfel, den Northern, Eastern, Southern und Western Peak. Wir hatten die beiden höchsten, den Western und Northern im Auge. Hatten wir bis hierher noch relativ schaffbares Geläuf, veränderte sich dies plötzlich. In der Ferne sahen wir einen Vulkankrater, der auch unter uns sein Unwesen getrieben haben musste. Unter uns nur lockeres Geröll aus schottrigem bis sandigem Untergrund, kaum ein Schritt, bei dem das Schuhprofil wirklich Haftung hatte. Ständiges Zurückrutschen ließ uns den steilen Aufstieg teilweise auf allen Vieren laufen. Um uns herum alles wunderbare Steine, doch so lose, dass sie ständig abzurutschen drohten, wenn man falsch trat. Durch die scharfkantige Vulkanherkunft wollten wir sie auch nicht gegen unser Bein rollen haben oder generell abrutschen. Glücklich über jeden festen Stein im Boden ging es Meter um Meter nach oben, wir hatten den Gipfel fest im Blick, doch Pustekuchen, es war nur ein Zwischengipfel. Etwa 70 weitere Höhenmeter warteten noch auf uns. Um eine Ecke schauend erwarteten uns noch vor dem Gipfelkreuz Grabsteine von Abgestürzten.

Wir hatten es geschafft, beide hatten wir das erste Mal einen 4.000 er bewältigt. Von 4.001 m hatten wir eine gute Sicht zu den anderen Gipfeln des Berges. Wir schauten uns genau den Hochweg zum höchsten Peak des Aragaz an und befanden ihn als ebenso schottrig. Natürlich wäre es schön gewesen, den 78 m höheren Gipfel auch noch zu besteigen, zumal er wirklich interessant wirkte. Doch wozu?

Nach teilweisen Rutscheinlagen beim Abweg führte es uns auf den besser begehbaren Südgipfel, mit 3879 m ja auch nicht von schlechten Eltern. Auf dem einzigen Gipfel mit Plateau lagen viele Schieferplatten herum, aus denen ein großer Steinmann und eine Schutzhütte von Bergsteigern gebaut waren. Hier trafen wir auch unsere deutschen Parkplatznachbarn wieder. Wir hielten ein förmliches Kaffeepläuschchen auf fast 4.000 m, es war irgendwie verrückt. Schnell Sympathie fassend, entschieden wir uns für einen gemeinsamen Abstieg. Es kam heraus, dass wir es mit einem Berufsschullehrer für Metalltechnik zu tun hatten 😊. Der etwa Mittvierziger war mit seiner bergaffinen Mutter im Urlaub in Armenien. Wir staunten, wie agil sie war und wie gut sie doch bei uns mithalten konnte. Für uns war es ein entspannter Abstieg, doch wir freuten uns viel mehr über das angenehme Gespräch. Uns wird zu zweit bei weitem nicht langweilig, wir haben immer gut zu erzählen, freuen uns aber auch hin und wieder über äußeren Input. Da sie übermorgen abreisen schenkten sie uns noch eine ganze Tüte Obst, welches sie von ihrem Hotel als Abschied bekamen. 😊

Wir nutzten die Zeit und den guten Internetempfang um Van-Office zu betreiben. Der 1. September wird für uns ein entscheidender Tag. Mehr dazu zu gegebener Zeit. Jedenfalls befassten wir uns viel mit Visa, Flugzeiten, Flugtickets, Mietwagen, Einreisebestimmungen und weiteren Routen. Schließlich gilt es langsam zu planen, wie und wo wir unseren zweiten Winter verbringen, dafür checkten wir Temperaturen für Dezember und Januar. Ich kann so viel verraten, die Route wurde immer wieder umgeworfen.

Dann ging es den Berg hinab, um die Bremsen zu schonen immer schön im zweiten und dritten Gang mit maximaler Motorbremse. Es war so surreal, es ging so sehr bergab, dass man manche nur leicht sinkende Weg als Bergaufwege erkannt, sich aber wunderte, warum das Auto nach dem Stand wieder rollte. Die menschlichen Sinne lassen sich doch leicht täuschen. Außer die Ohren, die hörten heute ein Geräusch, welches sie nie von unserem Wagen hören wollten. Wir fuhren nochmals unseren Stellplatz der letzten zwei Tage an, um für morgen wieder einen guten Ausgangspunkt zu haben. Doch anscheinend traf ich die Spur nicht perfekt und ein Stein sorgte für das Geräusch. Unser langer Radstand ist für Armenien nicht gemacht, heute wurden wir das erste Mal Opfer davon, es hatte uns die ausfahrbare Eintrittsstufe zerlegt. Hatten wir sie seit dem ersten Tag noch nie verwendet und uns geärgert, sie nicht einfach demontiert in Magdeburg zu lassen, hatten wir nun Grund sie zu demontieren. Der Wagen sieht gleich schnittiger aus, doch es war eine ganz schöne Arbeit. Die Stufe hatte ihre einzige Daseinsberechtigung als Verkaufsargument für den Wiederverkauf. Sind wir wieder in MD, gibt es also Arbeit, sie wieder in Gang zu bringen … ein Metaller lässt grüßen.

Grüßen tat uns auch ein LKW-Fahrer mit seiner Hupe, wir wanken ihm zu, er legte eine Vollbremsung hin, wir hofften, er hätte es nicht als Einladung zum Abendbrot verstanden. Doch er kam auf uns zu gerannt, legte uns zwei Birnen hin und freute sich über ein armenisches Danke. Könntet ihr euch das in Deutschland vorstellen?

 


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Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

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