Ostanatolien an einem Tag – (TUR-3)
- Hardy
- 7. Sept. 2021
- 4 Min. Lesezeit
06.09.2021 – Morgenstund hat Sport im Mund, so ähnlich hieß es heute mal wieder. Doch halt, da sich unser Leben mal wieder über 2000m abspielte, war es morgens noch ohne Sonne empfindlich kalt und nicht zweistellig. Heute hieß es, zieh auf jeden Fall etwas Langes unters T-Shirt. Zum Paddeln blieben bei ordentlich Gebläse auch lieber die Schuhe an.
Sarah nutzte meine Abwesenheit mal wieder für einen Kuchen im Omnia – einen Pflaumen-Streusel-Kuchen … lecker und die Restzeit zum Sport. Viele Kilometer lagen heute vor uns, deswegen nutzten wir den Morgen jeder für sein Wohlfühlprogramm. Und auf geht´s, verlassen wir unsere Halbinsel, die uns gestern Abend noch viel Sturm und den Polwan zum Wackeln brachte. Doch ehe es richtig losging, stoppte uns schon wieder eine Herde von etwa 300 wilden Kühen, die über die Dorfstraße auf ihrem morgendlichen Spaziergang zur Weide an uns vorbeigetrieben wurden.
Rauer und lauter Asphalt mit spritzenden Schottersteinen führte uns bis zur Verbindung nach Kars, hier gibt es extra einen 7 km langen Abschnitt, der für Fahrschüler gedacht und mit etlichen Hinweisschildern ausgestattet ist, selbst bepollerte Parklücken findet man. Es ging mal wieder zweispurig, sicher, um sicher an den Fahrschülern vorbeizukommen, denn viel Verkehr gab es bisher nicht. Es wird definitiv noch anders.
Wir hielten an einem der geschichtsträchtigsten Orte Armeniens und das in der Türkei. „Dies ist ein außergewöhnlicher Ort, die kulturell interessante und landschaftlich reizvolle Geisterstadt wirkt wie eine Filmkulisse. Die geheimnisvolle Ruinen liegen in völliger Abgeschiedenheit an der Grenze zu Armenien. Bevor sie nach einem Überfall durch die Mongolen 1236 verlassen wurde, war Ani eine blühende Stadt, ein Halt auf der Seidenstraßen und Hauptstadt des armenischen Königreichs von 961-1046. Zu den Ruinen zählen auch bemerkenswerte Kirchen und eine Kathedrale aus der Zeit zwischen 987 und 1010.“ Durch die Anhäufung verschiedener religiöser Stätten kann man die Bedeutung des Ortes, welcher mit einer riesigen Stadtmauer umgeben war, förmlich spüren. Schnell erkennt man armenische Kirchen, ein Kloster, Minarett, Moschee und die christlichen Gotteshäuser. Über dem Ort thronen die Reste einer Zitadelle. Der zum Weltkulturerbe der Unesco gehörende Ort hat einen vollständig rekonstruierten Palast, in dem aber jegliches Licht zur Besichtigung fehlt, so dass hier Fledermäuse leben und der zahlreiche Schafskot zeigt leider anderweitige Nutzung. Dies ist extrem schade. Noch heute finden vielerorts archäologische Ausgrabungen statt, die immer mehr freilegen. Reste einer Häusersiedlung und eines Basars zeigen Spuren des damaligen Lebens. Die Rekonstruktionen an Kirchen, Häusern oder Stadtmauer wirken nicht zeitgemäß und verschandeln durch ihre einfache Bauart eher den Geist der einst populären Stadt. Vom Parkplatz aus kann man schon die Fahnen der Türkei und Armeniens sehen, die mit Grenzposten versehen und durch eine Schlucht mit Fluss örtlich getrennt sind. Schon damals orientierten sich Städte an Wasservorkommen, das Flusstal grünt und ist eine der wenigen Oasen. Befanden wir uns gestern noch im Grün, nahezu Urwald mit vielen Wasserfällen, ist es eine Rückkehr in die Wüste.
Mal wieder trafen sich hier die Deutschen, mit einem Pärchen aus BaWü unterhielten wir uns länger, die Frage nach der Befahrbarkeit von nummerierten Straßen stellt sich bald nicht mehr, zum Glück. Für zwei ältere Pärchen mit Allradfahrzeugen waren wir die ersten Deutschen auf ihrer Reise durch die Türkei. Sie waren aufgrund der derzeitigen Coronalage und Gerüchteküche so verunsichert, dass sie nach einer Rückweisung ohne PCR-Test durch Georgien selbst mit aktuellem PCR-Test die Grenze nicht mehr passierten. Gerüchte, dass die Grenzen geschlossen wären, konnten wir zurückweisen und ihnen so vielleicht die Weiterreise schmackhaft machen.
Reizvoll und total fragwürdig, warum unser nächster Spot nirgends erwähnt wird, besuchten wir die Höhlenstadt in der Schlucht unterhalb von Ani, fußwärts nur 400m fehlte jeder Hinweis. Ähnlich wie in Varzia (GEO) schürften die Bewohner in alle Felsen teils große Höhlen hinein. Elemente wie Kirchenaltare, Apothekenregale, Mühlsteine und Regalen zeugen von einem organisierten Leben. Die Höhlen erstrecken sich hier nicht nur an einer Felswand, sondern allen sichtbaren Bereichen und Seiten. Harsche klimatische Bedingungen und Erosionen schufen bizarre Formen. Die Geisterstadt Ani und die Höhlen erhalten von uns das Prädikat – definitiv besuchswert. Der Eintritt für Ani beträgt 22 TL (2,20€), ggf. Audioguide 18 TL (1,80€). Vor den Gebäuden stehen stets Hinweisschilder mit knappen notwendigen Informationen.
Die Türkei ist groß, die Wege weit … das Navi zeigte 189 km bis zum nächsten Ort. Bizarre Felsformationen, Sandstein in blutrot und kurze Stopps durch passierende Schafs-, Kuh- und Gänseherden führten uns das Land der Kurden. Kurdistan ist ein grenzenloses Gebiet Vorderasiens und Siedlungsgebiet der Kurden. Es erstreckt sich über die Türkei, Aserbaidschan, Iran, Irak und Syrien, doch die Länder erkennen keine Autonomität an und vermeiden den Begriff Kurdistan. Etliche Checkpoints mit einsatzbereiten Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, sandsackgeschützten Schießständen und mit MG ausgestatteten Soldaten waren zu passieren. Da kommt man sich doch etwas komisch vor. Nach dem zweiten Checkpoint wussten wir, wie der Hase läuft und konnten die am Anschlag sitzenden Soldaten einschätzen.
Der heilige Berg -Ararat- war für uns aus Armenien nur durch Dunst zu erkennen, nun fuhren wir förmlich an dem mit Schnee bedeckten 5100er-Vulkan vorbei. Sicher wäre es ein leichtes, ihn zu besteigen. Da er im Nationalpark liegt, geht dies nur mit einem Guide. Die Färbung verlief von oben nach unten in Weiß, Schwarz, Braun und Anthrazit.
Die Fahrt zog sich, nach Sonne, Sonnenuntergang war es bereits dunkel und es galt eine letzte große Stadt zu durchqueren. Gerade zu einer Zeit, in der das Leben förmlich erwacht, die Straßen voll von Händlern, Basaren und Menschen sind. Kein leichtes nach über 300 km, achten doch die Menschen nur darauf, möglichst schnell über die Straße zu kommen, erwies sich der vom Navi vorgeschlagene Weg als Nachtbasar und Treffpunkt in der Innenstadt. Einiges Gekurbel, Fluchen, Durchfahren spiegelnaher Straßen und Springhuckeln später landeten wir hoch über der Stadt an unserem nächsten Spot. Von oben genossen wir den Anblick einer beleuchteten und lebhaften türkischen Stadt. So fielen die Augen nach einem anstrengenden Tag mit Abendmahl und 5 Seiten Buch einfach zu.
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