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Terrible „Good Bye“ – Yerevan (ARM-14)

  • Hardy
  • 28. Aug. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

27.08.2021 – “Hey, hey, hey, what are you doing here?” war unsere Reaktion um Punkt 5:00 morgens. Nichts ahnend hatten wir plötzlich ein Taschenlampenlicht mitten im Gesicht und urplötzlich war unsere Nacht vorbei und wir wurden beide aus unseren Träumen gerissen. Seitdem wir unser neues Mückennetz für die Heckpartie im Schlafbereich installiert haben, lassen wir in extrem warmen Nächten eine Hecktür offen. So auch heute Nacht. Da der Bus mit einer offenen Tür nicht mehr von innen verschließbar ist, waren die Vordertüren mit Spanngurten gut verzurrt, die Heckgarage mit einer Decke abgehängt und die offene Tür mit einem Spanngurt am Radträger gut fixiert. Doch die offene Hecktür hatte wohl Aufmerksamkeit geweckt. Völlig erschrocken mussten wir reagieren, eben so, wie ihr es oben gelesen habt. Doch wer stand denn nun hinter unserem Bus? Das fragten wir uns auch, war das Heck doch extra versteckt und versetzt zum Parkplatz platziert. Das Gesicht von der Lichtperson war völlig erschrocken und er blieb wie angewurzelt stehen. Die Antwort kam etwas verzögert – „I´m from the Police. Are you ok?“ „Of cause, but you scare us.“

So richtig wussten wir nicht, was wir davon halten sollten, freuten uns aber, dass die Polizei hier so aufmerksam ist, denn eine offene Hecktür in der Nacht ist wohl doch etwas ungewöhnlich und kann viel bedeuten. Diese Nacht schließen wir sie wohl wieder 😊. Neben unserem Stellplatz befindet sich ein kleiner Vergnügungspark, den wir heute früh kurz besuchten. Nicht nur diesen, sondern auch die „Mother of Armenia“, welche als riesige Statue zur Huldigung gefallender Soldaten hoch über Yerevan thront. Der Ausblick über die armenische Hauptstadt war vielversprechend. Da klingelte schon das Handy. Am anderen Ende hörten wir nur, dass jemand an unserem Bus wartete. Wir trafen ihn wieder – unseren Freund Artur, den wir mit seiner Mutter und Oma am Sewansee kennenlernten. Yerewan ist seine Heimat und er hatte uns zu einer Radtour in seiner Stadt eingeladen. Here we are. Die Wiedersehensfreude war groß, zum Frühstück brachte er uns typischen armenischen kalten Kaffee und ein Eis mit.

Na dann, mal auf in die Stadt, so dachten wir es uns jedenfalls, doch nach den Schnellstraßenstücken ging einem Reifen ganz schnell die Luft aus. Es war ausnahmsweise mal nicht unserer. Schnell flickten wir Arturs Rad, wir hatten ja Erfahrung. So besuchten wir die hiesige Universität, die Cascade, suchten unsere Anfangsbuchstaben H und S aus den an einer Wand präsentierten 39-teiligem armenischen Alphabet heraus. Vorbei am großen grauen Opernhaus vermissten wir die Gestaltung auf dem riesigen Asphaltvorplatz, da ist noch einiges möglich, doch drumherum ist ein grüner Ring mit etlichen Cafés, die mit ihrer offenen Architektur wirklich einladend sind. Die Shoppingmeile zeigt den Besuchern etliche westlich bekannte Geschäfte auf, die die Landbevölkerung wohl nichtmal schreiben kann, unterirdisch befindet sich eine weitere Einkaufsstraße.

Direkt im Vorbeigehen am überdimensionalen Stadtschlüssel eröffnet sich der Platz der Republik. Architektonisch stimmig stehen hier Nationalgalerie, Regierungspalast, Hotel und Rathaus um einen Kreisverkehr und einen Springbrunnen, der uns großes versprach. Von hieraus kommt man schnell zu dem, was der Armenier gerne mag, den Manufakturen von Cognac und mehreren Bierbrauereien. Durch die Fahrt mit einem Einheimischen lernt man auch etliche Schleichwege kennen, wie den Tunnel am alten Sowjetstadion zurück in die Innenstadt. Es gibt eine Tradition in Yerevan, zu jedem Jubiläum wird ein neuer Park in der Innenstadt eröffnet, so auch die Parks zum 2800- & 2750-jährigen Bestehen der Stadt. Betrachtet man die Stadt von oben, glaubt man gar nicht, wie viel grün im Inneren zu finden ist. Übrigens pumpte mal wieder einer von uns regelmäßig seinen Reifen, wieder traf es Artur ☹.

Wir gönnten uns ein Mittag in einem traditionellen armenischen Restaurant, denn durch unser Stehen in der Natur, kommen wir gar nicht dazu, die ganzen armenischen Köstlichkeiten zu probieren. Und ein Einheimischer sollte wissen, wo es schmeckt. Übrigens sind auch die Armenier in deutsches Bier vernarrt, so brauen sie nach gleicher Prozedur und Rezept. Nahe dem Zentrum gibt es sehr viele Cafés und Pubs zum Probieren. Ein Abstecher zur Vernissage durfte nicht fehlen, die Shoppingmeile der Einheimischen bietet unter tausenden Pavillons alles, was Armenien an Andenken zu bieten hat. Hier hörten wir die traditionelle Flöte – Duduk das erste Mal live gespielt, Artur spielte sie uns mehrfach vorher online vor. Hinter der Vernissage sahen wir eine moderne Kirche, sie wurde 2001 gebaut und ist nach Tbilisi die zweitgrößte Kirche im gesamten Kaukasus.

Bei fast 40 Grad brauchten wir unbedingt eine Pause, selbst unsere etlichen Trinkpausen halfen nicht. Wer Yerevan mal besucht, kann auf das Mitnehmen einer Flasche getrost verzichten, etwa alle 100 m steht ein Trinkbrunnen mit vorzüglichem Wasser, jede Stadt oder jedes Dorf Armeniens hat davon ausreichend. Am Svan-Lake kühlten wir nicht nur unsere kochenden Beine ordentlich herunter, sondern trafen auch noch einen landesweit bekannten Blogger gegen Russland. Überrascht waren wir dann von tanzenden Polizisten, die sich offensichtlich ein Battle mit Zuschauern lieferten. Hinterher stellte sich heraus, dass wir direkt in einem Filmset gelandet waren.

Der Kontrollblick auf unserer Map zeigt noch ein paar offene Punkte. So besuchten wir noch den Love-Park, in dem Artur auch seine Hochzeitsfotos machte, eine alte sowjetische Veranstaltungshalle, die noch heute ein wirklich modernes Design hatte. Andächtig kamen wir zum fast letzten Tagespunkt, dem Memorial des großen Völkermords Armeniens. Am 24.4.1919 starben über 1 Million Armenier durch die Türken, sie wurden ohne Nahrung und Wasser in die Wüste verscheucht und starben elendig. Hoch über der Stadt steht hierfür ein Mahnmal, welches durch seine Form die Seelen der Verstorbenen vereint und durch eine Art zweiteilige Nadel die neu heranwachsende Generation zeigt. Gestern schrieb ich noch vom heiligen Berg der Türken, doch durch die Verdrängung der Armenier gewannen die Türken große Teile Armeniens, auf dem auch der Ararat steht. Dieser Berg ist wohl von keinen Punkt der Stadt so gut sichtbar, wie von hier. Er bedeutet den Armenier alles und sie sagen, dass der Ararat nur von der armenischen Seite mit Schnee bedeckt ist und seine Schönheit zeigt, von der Türkei aus gesehen, wäre er nur grau.

Das letzte Tageshighlight führte uns nochmal in die Stadt, nach rasanter langer Abfahrt stoppte es uns wieder, nun verlor ich die Luft im Vorderreifen. Kurz vorm Zentrum flickten wir nichts mehr, sondern überbrückten den Weg zu Fuß. Die Brunnen im 2800 Jahre Park leuchteten in allen Farben, auch der armenischen Flagge. Es sollte die Vorstufe zum Brunnen am Platz der Republik werden. Jeden Abend verwandeln Licht-, Ton- und Wasserspiel die Menschen zu staunenden Beobachtern. Dieses Schauspiel wollten wir uns nicht entgehen lassen, obwohl wir extrem kaputt vom Tag waren. Kurz vorm Brunnen ereilte auch Artur ein Platten im Vorderreifen, den wir mit einem Becher des besten Eis der Stadt weglachten. Zum Lachen war uns dann aber nicht mehr, als es dann hieß, dass das Wasserspiel aus technischen Gründen nicht stattfinden kann.

Ein weiterer trauriger Abschied zwischen Artur und uns später, trennte unsere Wege. Wir danken dir für den Tag und die vielen Impressionen der Stadt. Nur noch die bereits genannte Cascade herauf bis zum Polwan. Die Cascade ist ein altes sowjetisches Bauwerk, welches einem Wasserfall ähnelt und etliche Kunstmuseen enthält. Es ist ein überdimensionaler Treppenbau und wohl die längste und höchste Treppe, die wir bisher ein Fahrrad hinauftrugen. Es war schon ein neuer Tag, als wir die Augen dann endlich schließen konnten.

 

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Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

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