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Totale Touristenveräppelung – Sissian (ARM-11)

  • Hardy
  • 25. Aug. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

24.08.2021 – Es war so ruhig, man konnte nur die Vögel hören, einfach nichts weiter … so saßen wir gestern Abend noch ewig in die Dunkelheit hinein am Canyon. Der Mond kam erst Blutrot hinter den Gipfeln hervor und veränderte seine Farbe über Rot, Orange bis hin zu seinem strahlenden Weiß, als er fast am Zenit stand. So atemberaubend die Landschaft ist, so unberechenbar ist die derzeitige politische Lage. Gerne wären wir noch weiter ins Hinterland eingedrungen, doch das Risiko wäre nicht gering. So entschieden wir gestern für uns, dass wir den südlichsten Festlandpunkt unserer Reise nun erreicht hatten und würden heute wieder in den Norden aufbrechen.

Bei unserer Fahrt entdeckten wir viele auf Halbmast wehende Armenienflaggen und extrem viel Verschiebung von Militärtechnik. Es muss nichts heißen, doch wir fühlten uns bei unserer Entscheidung bestätigt. Wir parkten den Polwan neben dem Highway und direkt an der Zufahrt des russischen Militärflughafens. Die Räder nochmal auf Druck überprüft und dann rauf auf den Sattel. Knapp 5 km mussten wir noch auf dem Highway fahren, iranische Tanklaster, russische Militärfahrzeuge und eine ungeklärte Grenze später bogen wir auf ein sicheres Pflaster ab. Noch etwas wahres MTB-Gelände und dann standen wir direkt auf der Klippe des Shaki-Wasserfalls. Wir schlossen die Räder nach einem kleinen Furt-Manöver an einem sicheren Baum ab und kletterten hinab. Wenig Touristen ließen uns den mittelprächtigen Wasserfall genießen und ein paar Bilder schießen. Keine Leute, dann kann auch die Drohne mal wieder in die Höhe, doch urplötzlich wurde aus dem kleinen Wasserfall ein extrem breiter, über 5 Ausflüsse flutender Wasserfall. Nur wenige Sekunden später kam eine ganze Reisebusladung an Touristen, die vor lauter Irrsinn sogar fast in die Drohne liefen. Es war der totale Nepp, wird doch das Wasser über Nacht aufgestaut, damit die Touristen am nächsten Tag ab 11:00 etwas zu sehen haben 😊. Trick entlarvt … sagt sogar Google.

Konnten wir vorher über ein paar Steine den Bach locker queren, waren diese Steine ordentlich überspült und unpassierbar, nur 2 über den Bach geworfene Bäumchen ermöglichten uns den Wiederaufstieg. War anfangs an den Rädern noch kein Wasser, strömte nun etwa 20 cm hoch das Wasser durch die Reifen. Wer hätte denn auch damit gerechnet. Schuhe / Socken aus und vorsichtig über das glatte Gestein und die doch stärkere Strömung, gar nicht so einfach mit Rad in der Hand, aber Ende gut alles gut. Wir mussten einfach über die ganze Begebenheit schmunzeln, hätte uns der Schleusenwart doch einfach mal vorwarnen können.

Langsam fragen wir uns echt, ob wir ein „Bitte Hupen“-Schild am Popo haben. Es wird gehupt, gewunken und aus dem Fenster nach hinten geschaut. Das verkürzte die Fahrt zum nächsten Zwischenstopp, sind wir doch von den armenischen Städten nicht unbedingt angetan, sondern lieben die Natur hier, mussten wir doch mal etwas Nahrung nachlegen. Heute früh versuchten wir etwas vergeblich Milch zu bekommen, Sarah´s Bitte ließ eine Ladenbesitzerin ihre Tochter wecken, die uns einen Liter frische Milch von der eigenen Kuh brachte. In Sissian fanden wir mal wieder einen richtigen Supermarkt für hiesige Verhältnisse. Die Fahrradtasche und der Rucksack waren rasch voll, doch damit ging es noch zu einem weiteren Spot.

Die Einheimischen nennen es gerne das Stonehenge von Armenien. Weiter im Süden hätten wir uns noch Höhlen und Höhlenmalereien anschauen können. Voller Stolz erzählen einem die Armenier, dass hier Überreste des ältesten Menschen gefunden wurden. Genau genommen fand man einen rechten Schuh ähnlich eines Mokassins, der mit Stroh ausgestopft war, um ihn in Form zu halten. Untersuchungen ergaben, dass er von 3500 v. Chr. ist und somit noch 300 Jahre älter als die Überreste von Ötzi. Das Stonehenge oder besser Qarahunge ist die Aufstellung von etlichen Steinen, in denen Malereien und eingeschlagene Skulpturen gefunden wurden. Gleich auf der anderen Straßenseite hat 2011 ein Sissianer Künstler Steine mit ähnlichen Symbolen versehen und sie in einem kleinen Kreis aufgestellt. Hier sind Kriegsszenen oder Szenen aus dem damaligen Leben abgebildet. Mit einem etwas weinenden Augen verschmerzten wir so die fehlende Fahrt in den Süden.

Fahren wollten wir dann auch wieder, etwas schockiert waren wir über die etlichen Flüge von russischen Kriegshubschraubern. Als er dann noch förmlich über unserem Bus kreiste, schlossen wir lieber die Schotten. Etwa 45 min Fahrt brachten uns zu einem unserer letzten Stellplätze am Lake Vorotan. Leider ließ der Wind und das kreisende Gewitter keinen Paddelschlag zu. Geregnet hat es komischerweise fast überall, außer bei uns. So konnten wir den Nachmittag für etliche Erledigungen nutzen, nicht nur zum Nikolaus putzen wir Schuhe, durch den vielen Staub waren sie arg in Mitleidenschaft gezogen, ähnlich erging es dem Polwan. Die armenischen Straßen sorgten für Matschspritzer an der gesamten Seite, die Farbe war eher ein Braun anstatt Weiß. Der Wasserkanister hatte nach über 220 Tagen Nutzung einen kleinen Cut und die mit Rissen versehene Duschwanne erhielt auch ein abdichtendes Tape an einem neuen Riss. Sarah kochte mit dem neuen Obst wieder Marmelade, wollen wir doch auch auf unserer Reise nicht auf industriell hergestellte Marmelade zurückgreifen. So vergeht ein ganzer Nachmittag, nur sitzen tut man irgendwie nie.

 


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Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

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