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Wenn wir nicht zum Fisch kommen, kommt der Fisch zu uns – Abana (TUR-14)

  • Hardy
  • 26. Sept. 2021
  • 4 Min. Lesezeit

25.09.2021 – Täglich grüßt das Murmeltier oder auch der Regen, auch diesen Morgen prasselte es so langhin auf den Van. Es stand die Frage im Raum, Zeit nutzen zum Fahren oder einfach warten? Fahren wir doch unsere Stellplätze mit dem Gedanken an, uns wenigstens die Umgebung anzuschauen, warteten wir den Regen ab. Gegen 10:00 wagte Sarah den ersten Gang und es war ok.

Mal wieder standen wir auf der Mole eines Hafens in einem kleinen türkischen Dorf. Schon heute früh waren die Angler und Fischer aktiv. Zwischenzeitlich kam ein Angler mit zwei fangfrischen Flossenschwimmern an und wollte sie uns schenke, nachdem Sarah ihm gewunken hatte. Wir mussten absagen, denn wenn wir im Van Fisch brutzeln, kriegen wir den Geruch nicht mehr raus. Wir hofften, er wäre nicht traurig.

Bei einem Spaziergang auf der Mole sahen wir den, in den Wellen des Schwarzen Meeres tanzenden und heimkehrenden Fischkuttern zu. Die See war sehr rau und tanzen war wirklich der zutreffendste Begriff. Auch ein Kalesi wollten wir uns anschauen, wurden aber freundlich wegen Renovierungsarbeiten weggeschickt. Aus einem Fenster schaute ein älterer Herr mit einer Teetasse, er zeigte darauf, auf uns und mit einem Handdreh zu seinem Eingang. Es war der Fischer, der uns bereits heute früh Fisch schenken wollte. Er lud uns in seine Wohnung ein, stellte uns Hausschuhe hin und bat uns in seinen neuen Wintergarten. Bei ihm war seine frisch verwitwete Schwägerin, die gebürtig aus Saudi-Arabien stammt und mit ihrem türkischen Mann 8 Jahre bei Hannover lebte, aber länger noch in den USA. Die ersten Worte waren Deutsch, doch dann wechselten wir in das für sie einfachere Englisch. Bei einem Frühstück kam der Fisch nicht in roher, sondern in gebratener Form zu uns oder kamen doch wir zu ihm? Verschiedene Fischsorten, türkischer Käse, Gemüse und Obst, zum Nachtisch Haselnüsse. Wir bekamen liebenswert aufgetischt, dazu natürlich Cay. Wir hatten sehr interessante Gespräche. Unter anderem erfuhren wir mehr über die gestrige zerstörte Straße.

Sie empfahlen uns noch den gegenüber liegenden Aussichtspunkt. Hier kann jeder aus dem Dorf hingehen und sich mit bereitgestelltem Wasserkocher und Kaffeepulver einfach einen Kaffee machen. Zwischenzeitlich gab es einen Regenschauer, verbunden mit heftigen Sturmböen. Zurück am Polwan mussten wir feststellen, dass eine Gummileine unserer Fahrradplane durch den Sturm gerissen war. Die darauf aufgehängten Badesachen lagen nicht nur auf dem Boden, sondern auf 50 m verteilt. Nun aber los, heute hatten wir Strecke geplant. Unseren ersten Zwischenstopp hatten wir in der Hafenstadt Abana. Bereits gestern kamen uns extrem viele Fahrzeuge der AFAD entgegen, was uns schon wunderte. Die AFAD ist der türkische Katastrophenrettungsdienst, vergleichbar mit dem THW. In Abana waren sie in Zeltstädten unterwegs. Auf einem abgesperrten Gelände daneben lagen zerstörte schlammige Autos, der ganze Strandabschnitt war zerstört und mit Betonelementen gesichert. Spätestens im Ort Ilisi kamen alle Puzzleteile zusammen. Hier waren Brücken zerstört, das Meer am Ufer schlammig und alle Grundstücke mit Schlamm überspült.

Könnt ihr euch noch erinnern, als wir von den Unwettern in Batumi berichtet hatten? Diese wüteten auch hier. Es kam soweit, dass der viele Regen zu Muren aus den Bergen führte, die durch die Flusstäler in die Tiefe schossen. Gefällte Bäume, die wir gestern zuhauf an der Halbinsel sahen, hatten beim Herunterschießen eine zerstörerische Gewalt. Die Schlammmuren standen teils bis zur dritten Etage der Häuser, Häuser stürzten ein, Brücken wurden mitgerissen und Straßen unterspült, die einstürzten. Es war die schlimmste Flutkatastrophe für den türkischen Norden. Für uns war es eine sehr bedrückende und beklemmende Situation nun hier als Reisende zu sein. Es machte uns sprachlos dies zu sehen, aber auch glücklich, dass die Menschen versuchten, normal zu leben. Noch heute arbeiten die Bagger wie Ameisen, um die Flussbetten zu räumen, Straßen zu reparieren und zu befreien. LKWs fuhren den Schlamm zum Meer und bildeten damit neue Plateaus, so viel war es. In den Dörfern standen Übertragungswagen mit Satellitenschüsseln, da auch das gesamte TV- und Telefonnetz zerstört wurde. Vielleicht kommt auch daher der viele Müll an den Stränden zustande. Wir werden es beobachten.

Im Ort Inebolu war von den Ausmaßen der Flut glücklicherweise nichts mehr zu sehen. Erst als Halteort geplant, verworfen, mussten wir doch halten. Mit seinen Wandgraffitis und teils schwedisch angemalten Häusern wirkte es sofort interessant. Der Strandbereich war für alternative Hotels mit kleinen Holzbungalows und Restaurants aufgeteilt. Ein niedlicher Ort zum Durchfahren.

Unsere Frühstücksgesellschaft riet uns eindringlich vom weiteren Weg an der Küste ab, es wäre sehr eng, sehr kurvig und steil. Hm … wir wagten es doch und fuhren auf der wohl schönsten türkischen Straßen. Die D 00.10 führte uns die gesamte Zeit am Meer entlang, etliche Buchten waren auszufahren. Bei einer Breite von etwa 4 Metern passten gerade so 2 Autos aneinander vorbei, bei größerem Gegenverkehr musste einer weichen. Der Griff der Beifahrertür knackte das ein oder andere Mal verdächtig, zum Glück sah ich den Abgrund nicht so deutlich wie Sarah. Leitplankenlos war neben dem weißen Seitenstreifen einfach nur noch Abgrund. Ein absoluter Genuss für das Auge, nichts für schwache Nerven. Wer den Weg fahren möchte, sei sich bewusst, Geschwindigkeiten über 40 km/h nicht ratsam, es geht nur hoch und runter bei 10 %, gerade Strecken sind absolute Mangelware, doch selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten kommt man sich vor wie ein Rallyefahrer beim wichtigsten Rennen. Doch Vorsicht, Abfahrt nicht möglich, es geht so über gute 100 km. Ich fahre echt gerne Auto und auch liebend gerne mit dem Van, aber danach war ich platt.

Kurz vor unserem Stellplatz hatten wir auf der Höhe einen wunderschönen Viewpoint zum Sonnenuntergang vor Cide. Danach ging es nur noch bergab bis zum Hafenstellplatz.

Gute Nacht 😊

 

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Unsere 4 Augen - HS Life on Road

Das sind wir, Hardy und Sarah. Wir waren mit unserem Citroen Jumper "Polwan" ein Jahr auf Tour und haben dabei viel erleben dürfen. Schaut doch einfach selbst, was alles geschah.

 

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